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Die Ausarbeitung der neuen Schulorganisation wurde den s808 neugeschaffenen „Wissenschaftlichen Deputationen" anvertraut, welche an die Stelle des Gberschul- kollegiums getreten waren und von denen je eine in Berlin, in Königsberg und in Breslau ihren Sitz hatte. In der Berliner Deputation saßen außer Schleiermacher, der den Vorsitz inne hatte, der verdiente Professor der Physik, vorher Lehrer am französischen Gymnasium, Erman; der Erfinder des Alkoholometers, der Hamburger Tralles; der Professor am Grauen Kloster und Akademiker Georg Ludwig Spalding, ein Sohn des Berliner Propstes an der Nikolaikirche, der Historiker Karl Ludwig von Woltmann und der schon erwähnte große philolog Fr. A. Wolf. Besonders wertvoll aber und zugleich charakteristisch war in dieser Reformbehörde die Mitarbeit eines echten Berliners: Aug. Ferd. Bernhardts. Nach seiner Schulzeit am Ioachimsthalschen Gymnasium unter Nkeierotto, hatte er unter Wolf Philologie studiert, kam dann als Lehrer an das Werdersche Gymnasium und war seit 1808 Direktor daselbst. Als Freund von Tieck und anderen Romantikern spielt er in deren Geschichte eine literarische Rolle und machte sich als Sprachforscher durch gelehrte Werke (Anfangsgründe der Sprachwissenschaft u. a.) bekannt Außer in seinen hervorragenden Erfolgen als Schulleiter offenbarte er sich als tiefdenkender Pädagog und gewissermaßen als Nachfolger Wilhelms von Humboldt durch seine Schrift: „Ansichten über die Organisation der gelehrten Schulen" (s8s8). Er war es auch, der im Aufträge der Deputation einen Lehrplan für die Gymnasien ausarbeitete, der aber, wie alle ähnlichen Vorschläge, fürs erste nur Vorarbeit blieb.
Nichts aber konnte deutlicher als die Zusammensetzung und die Arbeit dieser Deputation die Erkenntnis verkörpern, daß Wissenschaft und Bildungswesen zusammengehören und sich gegenseitig fördern müssen. Und es ist bedauerlich, daß im preußischen Staate bis zur Gegenwart trotz solcher Erkenntnis, die öfter auch in der Zukunft zur Heranziehung der Gelehrten zu Schulbesseruntzsplänen geführt hat, der Pädagogik selbst noch kein offizieller Platz im Kreise der Wissenschaften bewilligt worden ist, und es hier keinen Kniversitätslehrstuhl für dieselbe gibt.
Wichtiger noch ist die mit der Schulreform in Verbindung stehende Neuordnung der höheren Lehrerbildung. Im Jahre 1.810 wurde durch Verordnung das oxumon pro kaoultuts ckovencki vorgeschrieben, und dieses Jahr nennt deshalb Paulsenh das „Geburtsjahr des preußischen höheren Lehrerstandes". Ebenso wurde nunmehr das Abiturientenexamen so vervollständigt und ergänzt, daß es. erst von jetzt ab seinen Zweck im vollen Maße erfüllen konnte. Die Prüfungen wurden den höheren Vollanstalten allein zugewiesen, aber erst im Jahre s 85 H wurde auch die letzte Möglichkeit eines Studiums ohne vorheriges Abiturium und jede Aufnahmeprüfung an der Universität selbst beseitigt.
Auf Grund jener Vorarbeiten der Jahre s8sO—11 hat dann unter Heranziehung zahlreicher Gutachten von Gelehrten und Schulmännern Süvern im Jahre I 819 seinen großen Entwurf eines alle Unterrichtsanstalten umfassenden Unterrichtsgesetzes für die ganze preußische Monarchie ausgearbeitet und vorgelegt. Dieser Entwurf ist, wie alle übrigen Versuche der gleichen Art, nie Gesetz geworden, trotz seiner „unleugbaren Vorzüge", während der neue Lehrplan für die Gymnasien wenigstens im allgemeinen künftig zur
ft Fr. Paulsen, a. a. M.