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Norm genommen wurde. Das Wesentliche daran war, daß, dem modernen Geiste entsprechend, neben den beiden alten Sprachen auch Deutsch und Mathematik als Hauptfächer zur Geltung kamen und Naturwissenschaft, Geschichte und Geographie reichlich Berücksichtigung fanden. Französisch als einzige Neufremdsprache wurde zur Wahl freigestellt.
hatte Süvern in jenem Gesetzentwurf noch versucht, eine einheitliche geordnete Stufenleiter von Unterrichtsanstalten aufzustellen, in der jede untere Stufe zugleich als Vorstufe für die obere angesehen werden konnte, kam man sehr bald von diesem undurchführbaren Prinzip ab und gab dem Gymnasium eine völlige Sonderstellung, die es zur alleinigen gelehrten Vollanstalt auf lange Zeit hinaus machte. Darin wurde auch nichts in der Zeit geändert, während Süverns Nachfolger, Johannes Schulze, in 40jährigem Ministerialdienst das höhere Schulwesen Preußens in vorsichtiger Steuerung ohne eigentlichen festen Aurs geführt hat.
Dieser Mannft hat unleugbare Verdienste um das preußische Schulwesen, aber stellte sich der von oben kommenden Tendenz einer gewissen polizeimäßigen Vielregierung nicht energisch genug entgegen. Die Schaffung eines allgemeinen Unterrichtsgesetzes aus Süvernscher Grundlage war nicht zustande gekommen; an Stelle dessen ließ der Nachfolger dem Bureaukratismus freien Lauf, der bald hier, bald dort eingriss und durch zahlreiche Verordnungen die Lehrverfassung der höheren Schulen ausbaute. Aber auch er hat zu jeder Zeit das Prinzip der „allgemeinen Bildung" als Grundlage für das Gymnasium festgehalten. Dieses Prinzip brachte notwendigerweise die Not der Äberbürdung und eine Verlängerung des Schulbesuchs mit sich, wodurch in den dreißiger Zähren des Jahrhunderts dann der Uberbürdungssturm gegen das preußische Gymnasium entfacht wurde, der aber vom Ministerium ohne Gefahr abgeschlagen werden konnte, weil noch niemand etwas Besseres an die Stelle des Bisherigen zu setzen wußte.
Trotz der Neigung zu einer gewissen bureaukratischen Willkür in der Aufsicht über die höheren Schulen war Schulze doch kein Mann der Reaktion, und die Direktoren und Lehrer der ihm unterstehenden Anstalten blieben von aller politischen Ängstlichkeit und Demagogenjagd verschont.
Inzwischen begründete sich eine Schulgattung, deren Anfänge wir schon in der vorangehende Periode geschildert haben, die Reals chule. Man darf sagen, daß deren Tendenz und Wesen gerade dem altpreußischen, in der Zentralprovinz der Monarchie stark erhaltenen Volkscharakter ganz besonders zusagend gewesen zu sein scheint, und daß somit das Realschulwesen gerade hier zuerst zur größeren Entwicklung gelangte. Die Realanstalt von Z. Z. Hecker in Berlin blieb der Anknüpfungspunkt der realistischen Schulbewegung. Durch die Gymnasialprüfungsordnung von t8s2 hatten die humanistischen Gymnasien eine privilegierte Sonderstellung erhalten, und eine Berücksichtigung des werktätigen Lebens der Gegenwart war von diesen Vollanstalten nur in beschränktem Maße zu erreichen. Je mehr diese die strenge Form von Gelehrtenschulen, wenn auch in der Verflachung der „allgemeinen Bildung" annahmen, um so mehr machte sich das Bedürfnis nach Lehranstalten geltend, die für die Ausbildung von Gewerbetreibenden im
-) L. varrentraxp, Joh. Schulze und das höhere preußische Unterrichtswesen in seiner Zeit, ;889.