Part 
Bd. 4 (1916) Die Kultur / von Robert Mielke ...
Place and Date of Creation
Page
507
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

507

Seminarübungsschule bewundert. Als tiefeinwirkender Lehrer wie als pädagogischer Schriftsteller übte Diesterweg einen außergewöhnlichen Einfluß auf die Lehrerschaft aus. Und dieser Einfluß wurde um so stärker, je mehr der Druck der engherzigen Bildungs­politik fühlbar wurde. Weit kraftvolleren Geistes wie Harnisch, widersetzte er sich in Reden und Schriften ungescheut der wachsenden Reaktion der Regierung. Er erkannte die Aufgabe der Volksbildung bereits im modernsten Lichte. Sein Kampf galt vor allem der Macht der Geistlichkeit über die Volksschule, die deren Aufsicht noch immer unter­worfen war, und aus diesem Grunde, abgesehen von methodischen Rücksichten, verlangte er schon damals einen konfessionellen Religionsunterricht, daneben stärkere Verwertung der Realien, Aurückdrängen der reine» Gedächtnisarbeit usw. Vergeblich war sein Schwimmen gegen den Strom der Zeit, dem die Regierung die Richtung wies.

Sein früherer Kollege, der Seminardirektor zu Mied, Ferdinand Stiehl, verstand sich besser auf den Geist der Reaktion. Dieser gelangte 184-4 ins Ministerium und hat sich als Urheber der dreiRegulative" vom Oktober s854 in der Bildungsgeschichte des preußischen Staates einen dauernden Platz errungen. Jene Regulative haben im Grunde nur verordnungsmäßig festgelegt, was schon seit mehr als 20 Jahren das Be­streben der Regierung in bezug auf Volksbildung und Volksschullehrerbildung gewesen war. Dennoch gelten sie noch jetzt als das Zeichen des Höhepunktes der Reaktion auf dem Gebiete des Schulwesens. Vergeblich sind ihnen oft Verteidigungen zuteil geworden von den Gegnern der in Lehrerkreisen schon damals weit verbreiteten rationalistischen Auffassung der kirchlichen Lehre. Unschwer ist die zwischen den wohlwollenden Zeilen hervorschauende Angst vor der schweren Lenksamkeit des allzu selbständigen Lehrers zu erblicken.Der letzte Zweck des Seminarunterrichts ist nicht, daß der Zögling lerne, sondern daß durch das im Unterricht vermittelte Lernen und Gelernte Leben geschaffen und der Zögling seinem Beruf gemäß hsrangebildet werde zu einem Lehrer für evan­gelisch-christliche Schulen" . . .Der Gedanke einer allgemein menschlichen Bildung durch formelle Entwicklung des Geistesvermögens an abstraktem Inhalt hat sich ^>urch die Er­fahrung als wirkungslos oder schädlich erwiesen. Das Leben des Volkes verlangt seine Neugestaltung auf Grundlage und im Ausbau seiner ewigen Realitäten auf dem Funda­mente des Ehristentums. Demgemäß hat die Elementarschule dem praktischen Leben in Kirche, Familie, Beruf, Gemeinde und Staat zu dienen. Darum kommt es vor allem an auf eine richtige Begrenzung der Knterrichtsgegenstände." So heißt es u. a. diplo­matisch in jenen denkwürdigen Dokumenten. Das bedeutete allerdings eine unmittelbare Abkehr von den Grundgedanken Wilhelms von Humboldt und dessen Zeit.

Aber unter der Regierung des folgenden Königs, des späteren ersten Deutschen Kaisers, kamen wieder andere Zeiten herauf, die auch die Schule wieder freiere Luft atmen ließen. Da indes Preußen, zumal nach seiner Vergrößerung infolge der glücklich ge­führten Krieg immer einheitlicher regiert und verwaltet wurde, so blieb von provinziellen Eigenheiten kaum noch etwas übrig, und wir können hier nur durch einige Daten und Namen auf die Geschichte der allgemeinen preußischen Schule Hinweisen.

Wilhelm I. hat von Anfang seiner Regierung an sein Augenmerk auf die pflege der Volksbildung gerichtet. Aber auch unter seinem Regimente führten die verschiedenen Versuche, ein allgemeines Schul- und Knterrichtsgesetz zustande zu bringen, nicht zum