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kirchlicher Anschauungen werden im Rahmen streng schematisierender Vernunftsysteme, bis die neuerwachende Skepsis diese Fesseln sprengte und sich dem Materialismus in die Arme warf, der aber seinerseits von neuen Versuchen systematischer Fundamentierung der Weltgestaltung abgelöst wurde. — Wir heben die wesentlichen persönlich- keiten dieser ganzen Entwicklung im folgenden einzeln heraus.
Unter den Anhängern Christian Wolffs ragt Alexander Gottlieb Baumgarten, ein geborener Berliner, hervor, der Begründer der Ästhetik als systematischer Wissenschaft, einer der letzten bedeutenderen Professoren der alten Viadrina zu Frankfurt a. d. V. (gest. 1762). — Auf einem ähnlichen Wege, ohne abhängig zu werden, ging der Schweizer Zoh. Georg SuIzer, der in Berlin Professor der Mathematik am Zoachimsthalschen Gymnasium, Mitglied der Akademie und Professor an der Ritterakademie war und u. a. eine „Allgemeine Theorie der schönen Künste" schrieb, worin er moralische Absichten mit den Wirkungen der Künste zu verbinden suchte. Mehrere von den ausgesprochenen Ausklärungsphilosophen waren Brandenburger von Geburt. Der Buchhändler Nicolai war in Berlin geboren, und seine kritischen Zeitschriften „Bibliothek der schönen Wissenschaft" sowie seine „Allgemeine deutsche Bibliothek" (1765—1805) haben bedeutenden Einfluß auf die Gelehrtenwelt ihrer Zeit gehabt. Seine Beschreibung von Berlin und Potsdam gilt noch jetzt als für jene Zeit musterhaft. Er ist 1811 gestorben. — Nicht geringer war die Bedeutung von Moses Mendelssohn, der seit 17HZ in Berlin lebte und gewissermaßen der Mittelpunkt der aufklärerischen Bestrebungen war. Sein „phaedon oder über die Unsterblichkeit der Seele" erlangte europäische Berühmtheit (gest. 1786). — Zn den Kreis der Aufklärer gehört auch Zoh. Aug. Eberhard. Er kam als Hauslehrer eines jungen Freiherrn von der Horst nach Berlin, wo er sich in Muße der Wissenschaft widmen konnte. Später Prediger am Berliner Arbeitshause, wurde er Akademiemitglied, starb aber 1778 als Professor in Halle. Zu den Philosophen, die Friedrich II. selbst noch nach Berlin gezogen hat, sind ferner zu nennen Zoh. Heinrich Lambert, ein Elsässer, der das Amt eines Gberbaurats bekleidete, und Christian Garve aus Breslau, der ausgezeichnete Übersetzer philosophischer Schriften der Griechen und Römer.
Verhältnismäßig wenig hat Fichte Schule gemacht (von dem oben schon gesprochen wurde), wenn man von der Weiterbildung seiner Denkweise durch Spätere absieht. Mitten in der Zeit der aufregenden Kämpfe um politische Existenz erlag der edle Mann dem Hospitalfieber bei der aufopfernden Tätigkeit im Dienste des Landes H8I4-). Um die Neubesetzung seines Lehrstuhles, auf dem man einen ebenbürtigen Nachfolger sehen wollte, entstanden in Berlin lebhafte Kämpfe. Der Heidelberger Professor Fries und der damals schon berühmte Nürnberger Gymnasial-Rektor Georg Wilhelm Friedrich Hegel hatten unter vielen Kandidaten die meisten Aussichten, entgingen zunächst aber beide der Spree- Universität, da Unschlüssigkeit und Sparsamkeitsrücksichten, welche jetzt den gegen früher engeren Gesichtspunkt der Regierung kennzeichneten, die rechten Augenblicke verpaßten. Die Hegelsche Philosophie schien aber dem Ministerium von Altenstein geeignet, die offizielle preußische Philosophie zu werden, und man versicherte sich dieses nützlichen Gelehrten seitens des Kultusministeriums schließlich doch noch. Hegel war 1770 zu Stuttgart geboren, hatte in Tübingen Theologie und Philosophie studiert, wurde 1801
Brandenburgische Landeskunde. Bd. IV.