Teil eines Werkes 
Teil 1 (1920) Die Grundlagen der jüdischen Ethik
Entstehung
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keine Pilichtenlehre im Sinne der jüdischen Ethik geben kann. Allein zu einem vollen, klaren systematischen Aufbau der Glaubenslehren des Judentums ist es infolge der vorwiegend ge­setzlichen Richtung der Thora nicht gekommen. Darum aber das Judentum zur Gesetzesreligion stempeln wollen, heißt sein Wesen verkennen. Ist es ja niemals die Tat, sondern die Gesinnung, auf die alles Gewicht gelegt wird. Das lautere Herz allein gilt vor dem heiligen Gott. Kaufmann Köhler: Grundr. e. syst. Theol. d. Judentums, 1910, S. 2.

9: Nicht um Seligkeit zu gewinnen, sollen wir Gott lieben und Tugend und Wahrheit üben, sondern Gott lieben und Tugend üben ist wahre Seligkeit. Es ist die Gottesnähe des Psalmisten (73, 28), die also des Menschen höchstes Gut bildet. Es bedarf keines andern Lohnes, und cs gibt keine größre Strafe, als dieses Gutes auf ewig verlustig zu sein. Kaufmann Köhler: Grundr. e. syst. Theol. d. Judentums, 1910. S. 232.

10: Wenn nun im talmudischen Schrifttum die Forderung unaufhörlich wiederkehrt, daß alle Handlungen, also die gesamte Lebens­führung le-schem schamajim sein sollte, also im Namen oder zur Ehre des Himmels (z. B. Äboth II, 2 u. 17), so mag man den Himmel als Bildwort für Gott oder für alles das Irdische überragende Er­habene deuten, immer schließt der Satz den Gedanken ein, daß der wahre und eigentliche Beweggrund der Sittlichkeit nichts Äußerliches und nichts Niedriges, nichts als nur die Erhebung des Menschen zu höherer Würde sein sollte. M. Lazarus: Die Ethik d. Judentums I, 1899, S. 109.

11: Durchgehend durch die ganze Lebensanschauung des Talmud (wie schon der Propheten) ist der Gedanke, daß nicht eine bloße Tat als solche, sondern die Gesinnung erst die pflicht­mäßige Handlung zur sittlichen macht, Rachmana libba bai der Barmherzige (Gott) fordert das Herz; und selbst bei Wohl­tätigkeit, die mit ihrer Wirkung ja auf den äußeren Erfolg für den Empfänger geht, wird alle Handlung nur geschätzt nach dem Maße der Liebe, der wohlwollenden Gesinnung. M. Lazarus: Die Ethik d. Judentums II, 1911, S. 51.

12: Im Volke Israel aber hatten seine Dichter und Propheten von jeher mit einem unablässigen Nachdruck, mit einer nie ermüdenden Eindringlichkeit die Mahnung ertönen lassen, daß zwar die gesetz­liche Handlung notwendig, daß sie aber ohne die innere Gesin-

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