6: Sie [die Thora] wendet sich gegen die Begierde, die böse Lust, die der Quell und der Herd aller Rechtsbrüche sind, sie bekämpft die natürliche Selbstsucht, die [im Codex Hammurabi] nur dann, wenn sie das Recht des Nächsten beeinträchtigt, in ihre Schranken gewiesen wird, sie stellt das Postulat der Nächstenliebe auf. Ein Gesetz wie 2. Mos. 20, 17 (5. Mos. 5, 18) „Du sollst nicht Verlangen tragen“, selbst wenn es zunächst als Sittlichkeitsgebot, nicht als Strafnorm aufzufassen wäre, stellt den Dekalog über alle Gesetze der Welt, welche die einleitenden Handlungen einer strafbaren Handlung bis zur wirklichen Äußerung des verbrecherischen Wollens zu verhindern und zu verfolgen außerstande sind. — Johannes Jeremias: Moses u. Hammurabi, 1903, S. 54.
7: Der Prophet, der von dem neuen Bunde weissagt, wo das Gesetz in ihr Inneres gelegt und ihr Herz geschrieben sein werde, oder der eine Beschneidung der Lippen und Herzen, ein Zerreißen der Herzen, und nicht der Kleider fordert — der Psalmist, der nur einen gebrochenen Geist, ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz als „rechte Gottesopfer“ anerkennt: sie haben eine tiefe Ahnung gehabt von einer Änbetung Gottes im Geist und der Wahrheit, ein tiefes Verständnis dafür, daß im Vergleich mit solcher Anbetung der Gottesdienst des alten Bundes [soll heißen der Opferkult] nur unvollkommenes Stückwerk sei. Und abermals sagen wir: wo solche Erkenntnis laut wird, da ist Gottes Geist und Wort, da stehn wir vor Bleibendem, Unvergänglichem schon im Älten Bunde. — Emil Kautzsch: Die bleibende Bedeutung d. Ä. T., 1912, S. 17/18.
8: Es ist die Gesinnung, welche sich das Verheißungswort Gottes eine Realität sein läßt. Daß dieselbe Festigkeit und Kraft zur Überwindung von Drangsal gibt, hat das Exil bestätigt. — Justus Köberle: Sünde u. Gnade, 1905, S. 211.
9: Nichts Geringeres wurde ja von Gott gefordert, als was in dem Gebot an Abraham sich ausspricht: Wandle vor mir und sei fromm, d. h. vollkommen, untadlig! Gen. 17, 1. Es zeigt sich, daß es dem Judentum an einer innerlichen, von religiösem Ernst getragenen Auffassung der göttlichen Forderung nicht gefehlt hat. — Justus Köberle: Sünde u. Gnade, 1905, S. 328/29.
10: Die sittlichen Forderungen des Gesetzes stehn höher als die Volkssitte der alten Zeit, sie berücksichtigen auch das Gebiet der innem Gesinnung, und das aufgestellte Ideal steht auf der Höhe
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