haftigkeit, oder als „Kerker der Seele“ zu betrachten, wie das der in Platos Spuren wandelnde Philo tat — eine Anschauung, die in der paulinisch-kirchlichen Heilslehre zu so unheilvollen Konsequenzen führte. Der Leib mit seinem sinnlichen Trieb jezer erzeugt die Neigung zur Sünde, keineswegs aber den Zwang zum Bösen. Die Fleischesnatur verursacht den Fehltritt, die sündliche Verirrung; doch kann und soll der Mensch diesen Trieb der Sinnlichkeit in den Dienst des Geistes stellen. — Kaufmann Köhler: Grundr. e. syst. Theol. d. Judentums, 1910, S. 162/63.
5: Das Judentum verwirft die Lehre von einer Erbsünde ebenso wie den Gedanken vom „befleckten Leib“. Den biblischen Vers Kohelet 7, 29: „Gott hat den Menschen gerade geschaffen, sie aber suchen allerlei Verwicklungen“ erklärt der Midrasch Jelamdenu: „Gott, der Gerade und Gerechte, hat den Menschen in seinem Ebenbilde geschaffen, auf daß er im Streben nach Gerechtigkeit die Gottähnlichkeit entfalte; die Menschen in ihrer Entzweiung haben dieses Gottesebenbild getrübt.“ „Rein ist die Seele, wie sie, von Gott kommend, die Erdenlaufbahn betritt, und rein kann und soll der Mensch sie wieder seinem Meister, der sie gegeben, zurückerstatten.“ So lehrt im Anschluß an Kohelet 12, 7 die Baraitha Schabbath 152 b. Und jeden Morgen beim Erwachen spricht der Jude das in die Liturgie aufgenommene Gebet: „Mein Gott, die Seele, die du mir gegeben hast, ist rein.“ — Kaufmann Köhler: Grundriß e. syst. Theologie d. Judentums, 1910, S. 169.
6: So auch hat Gott schon bei der Schöpfung den Menschen geschieden, herausgehoben aus der Reihe der Naturwesen; denn im Menschen ist ein göttlicher Hauch, er ist kein Geschöpf der Erde, er ist ein Ebenbild Gottes. Damit hat ihn Gott auserwählt — nicht bloß diesen oder jenen, nicht dieses oder jenes Volk, nicht Aschur, nicht Ägypten und auch nicht Israel, sondern schlechthin den sterblichen, hinfälligen Menschen. Und wozu ist dieser auserwählt, für würdig erkannt, bestimmt? Lediglich dazu: Gott zu dienen. Der Psalm hatte die Herrscherwürde des Menschen hervorgehoben; hier [in einem Gebete zum Schlüsse des Versöhnungstages] ist es die Priesterwürde des Menschen, welche als seine Bestimmung gilt, und welche ihn über die ganze Natur, innerhalb deren er genau wie das Tier steht, dennoch hoch erhebt. — H. Steinthal: Zu Bibel u. Religionsphilosophie I, 1890, S. 178/79.
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