reines Herz erschaffe mir, Gott, und einen festen Geist erneuere in mir“ (Ps. 51, 12). Und nicht bei der Geburt wird für und um das reine Herz gesorgt, sondern seine Schöpfung ist das Werk, ist die Aufgabe des ganzen Lebens. Das ist der letzte Sinn auch der ethischen Freiheit: daß sie nicht ursprünglich als eine Tatsache gegeben sei, sondern daß sie immer nur Aufgabe sei und Aufgabe bleibe. Wenn die Freiheit sonach die Reinheit bedeutet, so wird diese nicht als ein angeborener Besitz und auch nicht als ein Geschenk Gottes betrachtet, sondern sie stellt das Ideal des Menschen dar. — Hermann Cohen: Die Bedeutg. d. Judentums f. d. religiösen Fortschritt, 1911, S. 571.
4: Aber der Jude weiß auch: wie der Mensch durch seine Schuld von Gott sich getrennt hat, so muß er sich ihm wieder durch seine sittliche Tat nähern. Und wenn die Seele noch so sehr mit Sünde belastet ist, es bleibt ihr die volle Freiheit und Fähigkeit zu besserem Tun. Die sittliche Erneuerung muß aus eigener Kraft erwachsen, die Heiligung des Menschen ist sein eigenes Werk, er selbst muß sich den Frieden mit sich selbst, die Harmonie des Seelenlebens erringen, die den Frieden mit Gott, die Versöhnung verbürgt. Von dieser Anschauung geleitet, feiert der Jude seinen Versöhnungstag, immer getragen von dem Gedanken, daß der erbarmende Gott jedem reuigen Sünder sich zuneigt, daß aber der Mensch die Quellen der sittlichen Erneuerung in sich selbst trage. — Max Dienemann: Judentum u. Christentum, 1914, S. 34/35.,
5: Das Judentum hat sich dennoch erhalten, hat seine ewigen Güter sich gewahrt und sich nicht trüben lassen. Es hat nicht zugegeben, daß sein Gottesglaube entstellt, mit fremdartigen Elementen versetzt werde. Es hat sich die Theorie der Erbsünde, die man aus seinen Schriften zu deuten bemüht war, nicht einpfropfen lassen. Es hat sich den Adelsbrief der Menschheit nicht vernichten lassen und hat die Überzeugung festgehalten, daß dem Menschen von Gott gegeben ist die Kraft der freien Selbstbestimmung und Veredelung, daß er trotz der sinnlichen Begierde, die in der Menschennatur liegt, auch zugleich die Kraft hat, dieselbe zu überwältigen, durch sich selbst zur Veredelung und Erhebung zu gelangen. — Abraham Geiger: Das Judentum u. s. Geschichte I, 1865, S. 145.
6: Diese Fähigkeit des Menschen, aus sich selbst mit voller Freiheit zu bestimmen, daher auch zu erheben, seine Vervollkommnung durch sich selbst anzustreben und auch bei redlichem Bemühen