zu erlangen, diese Fähigkeit hat Akiba [in seinem Spruch: alles ist vorhergesehen, die Freiheit ist gegeben] in prägnanter Kürze als Grund- und Mittelpunkt des Judentums aufgestellt, und dieses hat stets an ihr festgehalten. — Abraham Geiger: Das Judentum u. s. Geschichte II, 1865, S. 19.
7: Das Judentum kennt keine Gebundenheit des Willens, wie sie sich aus der Lehre von der Erbsünde mit unentrinnbarer Konsequenz ergibt. Die Antinomie zwischen der menschlichen Willensfreiheit und dem göttlichen Vorherwissen ist allerdings nicht zu lösen, so wenig wie auf philosophischem Gebiete die Antinomie zwischen der Willensfreiheit des Menschen und dem Kausalgesetz. Wir müssen uns hier mit Maimonides bei dem Gedanken beruhigen, daß wir uns von dem Wissen Gottes, das mit dem des Menschen nur die Gleichheit des Namens gemein hat, keine Vorstellung machen können. Das Bewußtsein unserer Freiheit aber ist eine Tatsache, die sich nicht bestreiten läßt, und es ist zugleich die unbedingte Voraussetzung für alles sittliche Handeln des Menschen. Wir glauben an keine Erbsünde als eine Fortpflanzung des Bösen in der Menschheit, und wir glauben an keine Prädestination, welche alle sittliche Selbstbestimmung des Menschen aufhebt und das Gute nicht als sittliche Tat des Menschen, sondern nur als eine Gnadenwirkung Gottes gelten läßt. Wir sind frei und können uns aus eigener Kraft zu sittlicher Vollkommenheit hindurchringen, weil wir ein Gleichnis Gottes und in seinem Ebenbilde erschaffen sind. Auch wenn wir gesündigt haben, haben wir dadurch unsere sittliche Freiheit noch nicht eingebüßt, sind wir noch immer imstande, uns der Macht der Sünde zu entwinden und das Ebenbild Gottes in uns wieder aufzurichten. — Guttmann: Die Idee d. Versöhnung i. Judentum, 1909, S. 8/9.
8: Dem „bösen Trieb“ — dem jezer ha-ra — steht ja der „gute Trieb“ — der jezer ha-tob — das sittliche Verlangen gegenüber, mit dem der Mensch allezeit jenen zu meistern vermag, um also die göttliche Kraft der Freiheit zu betätigen. — Kaufmann Köhler: Grundr. e. syst. Theol. d. Judentums, 1910, S. 162/63.
9: Die Größe und Hoheit des Menschen als Gottes Ebenbild besteht vorzüglich in seiner freien Selbstbestimmung. Er ist nicht wie das Tier vom Naturtrieb, vom Zwang der Naturgesetze in seinem Tun und Lassen beherrscht. Er handelt aus freier Wahl und in bewußter Absicht und kann in jedem Augenblick seinen Entschluß
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