ändern. Darum ist er für jede Tat und jede Unterlassung, ja auch für die Absicht verantwortlich. Das allein macht ihn zum sittlichen Wesen. Auf der Willensfreiheit beruht sein sittliches Bewußtsein, seine Gottähnlichkeit. Darum hat das Judentum die Willensfreiheit als eine seiner Hauptgrundlehren jederzeit betont. — Kaufmann Köhler: Grundr. c. syst. Theol. d. Judentums, 1910, S. 174/75.
10: Wie wenig das Judentum den Gedanken einer Erbsünde duldet und die unbedingte Willensfreiheit eines jeden zur Geltung bringt, zeigt sich auch in der Fassung des Satzes im Dekalog: „Der die Sünden der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern bis zum dritten und vierten Geschlecht an denen, die mich hassen.“ Die letzteren Worte bezieht die traditionelle Auslegung nicht auf die Väter, sondern auf die Kinder und Enkel und erklärt sie damit, daß sie bedeuten: „Wenn diese der Väter Beispiel aus eigenem Antrieb folgen.“ — Kaufmann Köhler: Grundr. e. syst. Theol. d. Judentums, 1910, S. 179.
11: Der Mensch, ausgestattet mit der Freiheit des Handelns, erleuchtet durch die ihm gesetzten göttlichen Gebote, findet in seinem Willen den Schwerpunkt seines Daseins. Indem sein Schicksal — sein Leben und sein Sterben — als streng sittlich bedingt angenommen wird, verliert der Schicksalsgedanke alles Anstößige, das er für sein sittliches Bewußtsein haben muß. — Max Wiener: Die Anschauungen d. Propheten v. d. Sittlichkeit, 1909, S. 108.
12: Indem das Judentum die Freiheitslehre des Ezechiel sich zu eigen gemacht hat, erkennt es an, daß der Schwerpunkt des Lebens in uns selber liegt, daß der Mensch weniger ein Schicksal hat, als daß er sich selber Schicksal sein kann. — Max Wiener: Die Religion d. Propheten, 1912, S. 63.
Sieh auch:
Hermann Cohen: Innere Bezhg. d. Kant. Philos. z. Judentum, 1910, S. 54 fi, Ders.: Religion u. Sittlichkeit, 1907, S. 134.
Ders.: Streiflichter über jüdische Rel. u. Wissenschaft, in Neue jüdische Monatshefte 1917, Nr. 10, S. 701.
'Max Dienemann: Judentum u. Christentum, 1914, S. 8; 13 f.; 16 ff.; 27. Äbraham Geiger: Das Judentum u. s. Gesch., 1865, I. S. 24; 1865, II. S. 19. Guttmann: Die Idee der Versöhnung im Judentum, Hefte »Vom Judentum“. Nr. 2, S. 6 ff.
S. R. Hirsch: Choreb: 1837, c. 6 § 30; c. 79 § 519.
Ders.: Ges. Sehr., I, 1902, S. 300; II, 1904, S. 393; III, 1906, S. 284; IV, 1908, S. 416; 424.
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