9: Die Menschheit insgesamt aber ist geschaffen im Ebenbilde Gottes, nicht bloß der Stammvater dieses oder jenes Volkes, sondern der Stammvater aller, der auch die ganze Menschheit aus sich hervorgehen läßt als eine gleichberechtigte. — Abraham Geiger: Das Judentum u. s. Geschichte, I, 1865, S. 42.
10: Das Judentum hat die Schranken des engen Volkstums gebrochen; nicht die Geburt macht den Juden, sondern die Überzeugung, die Anerkennung des Glaubens, und auch derjenige, welcher nicht von jüdischen Eltern erzeugt ist, aber den wahren Glauben in sich aulnimmt, wird ein Vollberechtigter. Das Proselytentum in seinem edleren Sinne, wonach von den bisher Fernstehenden die Überzeugung aufgenommen wird, weil sie gleichfalls sich mit ihr einverstanden erklären, dieses Proselytentum ist ein Produkt des Judentums. — Abraham Geiger: Das Judentum u. s. Geschichte, I, 1865, S. 88/89.
11: Aber Gott ist der Vater aller Menschen, zu dem jeder in dem Verhältnis eines Kindes steht, und zu dem jeder, zu welcher Zeit immer, den Weg findet, wenn er ihn aufrichtig sucht. Das sind die Anschauungen, zu deren Bekundung der Neujahrstag durch seinen universalistischen Charakter den natürlichen Anlaß bietet, und die auch den Inhalt der Messiashoffnung des Judentums ausmachen. — M. Güdemann: Das Judentum i. s. Grundzügen, 1902, S. 103/104.
12: Das Judentum anerkennt, wie bereits dargetan wurde, daß es auch außerhalb seiner solche Fromme gibt, und es gesteht ihnen die ewige Seligkeit zu. Einen hohem Preis hat es selbst für seine Bekenner nicht zu vergeben. Ein Himmelreich, in das nur Juden Einlaß finden, oder in welches der Eintritt nur auf ein jüdisches Symbolum gewährt wird, kennt das Judentum nicht. — M. Güdemann: Das Judentum in s. Grundzügen, 1902, S. 105.
13: Aber das Judentum anerkennt das Verdienst eines jeden, der an der Heiligung Gottes auf Erden mitwirkt. Daß sie endlich verwirklicht und „die Welt zu einem Gottesreich geordnet werde“, wie es in dem täglichen Schlußgebete heißt, ist die Hoffnung des Judentums für die Zukunft der Menschheit. M. Güdemann: Das Judentum in s. Grundzügen, 1902, S. 105.
14: Wir Juden haben eine andere Vorstellung von dem Gott der Liebe. Weil wir an einen Gott der Liebe glauben, der alle Menschen in seinem Ebenbilde geschaffen hat, darum glauben wir an einen Fortschritt, der sich unaufhaltsam in der Geschichte der Mensch-
104