Teil eines Werkes 
Teil 1 (1920) Die Grundlagen der jüdischen Ethik
Entstehung
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Tempels Räumen. Schmerz und Trauer müssen abgelegt sein an seinen Schwellen. Mit dem wachen, tätigen Leben öffnen sich seine Hallen. Mit der Nacht, die dem tätigen Menschen zur Ruhe winkt, fallen auch seine Pforten zu. S. R. Hirsch: Ges. Sehr. III, 1906, S. 294.

10: Wohl fordert das Judentum von seinen Bekennem nicht, daß ihr Leben ein asketisches sei, wir wollen vielmehr in Gottes herrlicher Natur unsres Daseins uns freuen und andre erfreuen, genießen und andre am Genüsse teilnehmen lassen; heißt es doch im Talmud Atid adam liten din we-cheschbon al kol ma sche-rau ejnaw welo achal.Der Mensch wird einst zur Verantwortung gezogen werden über Genüsse, die er als erlaubt und erreichbar gesehen und nicht genossen hat. (Talmud Jeruschalmi Kidduschin Ende des IV. Abschnitts.) Wir sollen also von den Gaben des gütigen Schöpfers Gebrauch machen; allein unser Genuß muß ein mäßiger, ein mit Enthaltsamkeit und Entsagung verbundener sein, er darf nie als Zweck, sondern bloß als Mittel des Lebens betrachtet werden. Perischut mebia lijde tohora, tohora mebia lijde keduscha. Enthaltsamkeit führt zur Reinheit, diese zur Heiligkeit. (Talmud Aboda Sara 20 b.) M. Bloch: Die Ethik i. d. Halacha, 1886, S. 42.

11: Die sinnliche Seele soll, so verlangt es das Judentum, in den Dienst der sittlichen Aufgabe gestellt werden. Und darum steht das Judentum dem Leben, der Welt und der Kultur in freudiger Be­jahung gegenüber. Es sieht in ihnen nicht etwas, das von Gott abzieht, sondern was, recht verstanden, zu Gott hinführt, und alle Arbeit an dem Fortschritt der Kultur wird dem Juden nicht zu einem religiös gleichgültigen Tun, sondern zur Erfüllung der von der Religion gesetzten Aufgabe, zu einem auch für die sittliche Anlage des Menschen und der künftigen Geschlechter wertvollen Streben. M. Dienemann: Judentum u. Christentum, 1914, S. 22.

12: Es [das Judentum] bezeichnete diese Erde nicht als ein Jammer­tal, malte nicht den jenseitigen Lohn aus; es verlangte nie, daß man diese Erde zerstöre als ein Nichtiges und Sündiges, es wollte nicht, daß das Erdenleben geknickt werde, weil es bloß eine Prü­fung sei. Diese krankhafte, sentimentale Stimmung kennt das Judentum nicht. Abraham Geiger: Das Judentum u. s. Ge­schichte, I, 1865, S. 96.

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