tums das sittliche Wesen bekundet oder das Göttliche abspiegelt. Darum verlangt Hillel auch für den Leib des im Bilde Gottes, des Weltenkönigs, geschaffenen Menschen dieselbe Hochachtung und Fürsorge, die den Bildsäulen eines irdischen Königs seitens seiner Untertanen zuteil wird. — Kaufmann Köhler: Grundriß e. syst. Theologie d. Judentums, 1910, S. 157.
21: Eben weil das Judentum die Bestimmung des Menschen nur dann erreicht sieht, wenn das Göttliche in ihm zur vollen Entfaltung und Ausgestaltung durch die ungehemmte Betätigung aller seiner geistig-sittlichen und gesellschaftlichen Triebkräfte gekommen ist, besteht es darauf, daß alle Lebenskreise und Lebenszweige der Menschengesellschaft als Hebel der Veredlung des einzelnen wie der Gesamtheit verwertet und keine Triebkraft als unheilig erklärt und unterdrückt werde. Das Judentum verschmäht daher grundsätzlich mönchische Entsagung und Vereinsamung mit Hinweis auf den oben zitierten Vers aus Jesaja 45, 18. — Kaufmann Köhler: Grundriß e. syst. Theologie d. Judentums, 1910, S. 237.
22: Daneben aber wird der frohe Daseinsgenuß, der doch zur Ge- werbstätigkeit anspornt, vom Judentum nicht seines sittlichen Wertes entkleidet und dem Menschen vergällt. Im Gegenteil. Jene Büßerstimmung, die zur Abhärmung, zur Selbstkasteiung, zu nutzloser Entsagung anstachelt, wird geradezu als sündhaft bezeichnet und dagegen die Lehre aufgestellt, daß der Mensch dereinst Gott über jeden ihm dargebotenen erlaubten Genuß Rechenschaft abzulegen habe, ob er ihn dankbar hingenommen oder in Undankbarkeit verschmäht habe. Nur wo es gilt, die wildschäumende Lust und Leidenschaft zu zügeln, da ist Enthaltsamkeit lobenswert. Im übrigen besteht wahre Frömmigkeit darin, daß man jede Gottesgabe, jeden Lebensgenuß weihe und in den Dienst des Göttlichen stelle und auch sinnlichen Befriedigungen den Stempel der Heiligkeit aufdrücke. — Kaufmann Köhler: Grundriß e. syst. Theologie d. Judentums, 1910, S. 239.
23: Im Geiste des Judentums erscheint die Natur nirgends als das Unheilige. Im Vordergründe jeglicher Betrachtung über die Natur steht ja der Gedanke, daß sie die Schöpfung Gottes, „seiner Hände Werk“ ist. Daraus allein schon folgt, daß die Natur einerseits nicht vergöttert, andererseits aber auch nicht als gottlos, gottverlassen oder dem Göttlichen zuwider und entgegengesetzt angesehen werden darf. — M. Lazarus: Die Ethik d. Judentums I, 1899, S. 245.
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