Teil eines Werkes 
Teil 1 (1920) Die Grundlagen der jüdischen Ethik
Entstehung
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zur Askese (I Kor. 7) wird nicht aus seiner rabbinischen Ver­gangenheit zu erklären sein. Wilhelm Bousset: Die Religion d. Judentums, 1906, S. 493.

3: Die jüdische Religion kannte auch den falschen Asketismus nicht, der die Mehrzahl der alten Religionen kennzeichnete, und der darin bestand, daß dem individuellen Leben des Menschen Gewalt an­getan wurde. Um ihre Ergebenheit gegen Gott auszudrücken, fasteten die Juden in den Zeiten des Unglücks und beim Tode der Ihrigen oder in Tagen öffentlicher Frevel, indem sie von Gott Vergebung erflehten. Das Gesetz dagegen schrieb nur ein einziges strenges Fasten am Versöhnungstage vor. ... [Bischof] Chry­santh: Die Religionen d. alten Welt i. ihrer Beziehung z. Christen­tum III, 1878, S. 279.

4: Dagegen ist dem pharisäischen Judentum fremd der asketische Zug, der sich gerne mit einer derartigen Auffassung der Sünde verbindet. Nirgends wird z. B. in eigentlich pharisäischen Schriften die Enthaltung von der Ehe als Frömmigkeitsäußerung empfohlen: im Gegenteil, Ehe ist Pflicht um des Gesetzes, und, dürfen wir hinzufügen, um der Erhaltung der Nation willen, vgl. b. Jeb. 63 b. Ket. 61b. Gefastet wurde freilich viel bei den Pharisäern, und man rühmte sich dessen, vgl. Luk. 18, 12; Mt. 6, 1618; 9, 14. Aber es war nicht Äußerung asketischen Voll- kommenheitsstrebens, sondern Äußerung der Bußstimmung oder Steigerung des Gebetseifers, wenn gefastet wurde; s. Kap. XXXII4. Und selbst das Fasten am Versöhnungstag durfte in bestimmten Notfällen gebrochen werden, vgl. Mischn. Jom. 8, 4 ff. Am Sabbat zu fasten war verboten; selbst wer als Büßender fasten sollte, er­reicht weniger, als wer den Tag zur Freude benützt (Jose ben Simra, Bacher, Pal. Amor. I 111). Viele Aussprüche der Rabbinen zeigen, daß die Vertreter der offiziellen Religion jede über­triebene Askese verwarfen, vgl. Bacher, Tann. 1, 158 (Josua ben Chananja); Tann. II 161 (Jose ben Chalafta); Bab. Amor. S. 26; Pal. Amor. I 364 (Simon ben Lakisch) usw., Erub. 54 a; sieh auch Geiger, Das Judentum und seine Geschichte II S. 20; M. Lazarus, Die Ethik des Judentums § 246 f. Justus Köberle: Sünde und Gnade, 1905, S. 518.

5: Diese Ablehnung der Askese ist keinesfalls aus dem Gegensatz gegen einzelne damals auftretende asketische Geheimbünde wie die Essener oder in späterer Zeit durch den Gegensatz gegen das

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