Christentum zu erklären. Vielmehr hängt sie aufs engste mit der jüdischen Gesamtanschauung über das Verhältnis des natürlichen Lebens zum sittlichen zusammen. Auch hier zeigt sich die nüchterne, allem Überschwenglichen, Unnatürlichen, mystisch Dunklen abgeneigte Richtung der jüdischen offiziellen Religion. Die Pharisäer und Rabbinen hatten kein Interesse daran, über das Böse als kosmische Macht zu spekulieren; jede Vermengung des sittlich Bösen und naturhaft Bösen war ihnen unsympathisch. Wie die Satanologie und Dämonologie in den offiziellen rabbinischen Schriften nur eine geringe Rolle spielt, so war man auch allen Spekulationen über die ethische Minderwertigkeit des Materiellen beim Menschen wie in der Natur abhold und verwarf die entsprechenden asketischen Konsequenzen. — Justus Köberle: Sünde und Gnade, 1905, S. 518/19.
6: Vor allem aber war durch die Stellung zum Gesetze als dem abschließenden Ideal und der endgültigen Norm der Frömmigkeit eine Ausgestaltung asketischer Lebensweise unmöglich gemacht. Wer gleichwohl in dieser Hinsicht dem Zug der Zeit folgte, entfernte sich eben damit vom echten Judentum. — Justus Köberle: Sünde und Gnade, 1905, S. 519.
7: Fünftens ist noch zu bemerken, daß auf der alttestamentlichen Stufe der biblischen Religion weithin auch die Erfüllung ästhetischer Pflichten direkt zur Gottwohlgefälligkeit gehört. Dies zeigt sich z. B. in der Forderung des Sichreinigens und des Kleiderwaschens für die Teilnehmer an einem religiösen Akte und speziell am Gesetzgebungsakte. — Eduard König: Gesch. der alttest. Religion, 1912, S. 227.
8: Der Besitz irdischer Güter wird den Gottesreichsbürgern ausdrücklich verheißen (Gen. 12 b. 13, 2 usw.), also auch deren Genuß erlaubt, die Bodenbearbeitung und Bewältigung der Naturgüter und -kräfte von Gen. 1, 28 („macht die Erde euch untertan!“) anempfohlen, die Tugend des Fleißes auch in Gewerbe und Handel gelobt (Prov. 31, 15. 24 f.) und die Faulheit mit überlegener Ironie gegeißelt (19, 24. 22, 15 usw.), ein energischer Protest gegen sonstiges orientalisches Phlegma. Das Gottesreichsbürgertum fordert nicht einmal Verzichtleistung auf Ausschmückung des Lebensumgangs und auf Schmuck überhaupt. Das ersieht man z. B. aus den Brautgeschenken Abrahams für Rebekka (Gen. 24, 22 ff.), dem Knöchelgewand des Joseph (37, 3 b. wie nur noch
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