5. Von der Vormundschaft priesterlicher Leitung befreit, wurde im Judentum die Religion in der Tat zum Mittel der Volksbelehrung, zum Element steten geistig-sittlichen Fortschritts. Und damit ward der Menschheit ein Bildungsideal, das, tiefgreifender und umfassender als das der griechischen Kultur, das ganze gesellschaftliche Menschenleben umgestaltete. Es ist das die Volkserziehung, die Massenbelehrung durch das lebendige oder verlesene Wort, durch die Verlesung und Verbreitung der heiligen Schrift, durch das Studium der Lehre und die volkstümliche Predigt. — Kaufmann Köhler: Grundriß e. syst. Theologie d. Judentums, 1910, S. 267.
6: Oder mit anderen Worten: im Studium der Gotteslehre [Talmud = Thora] handelt es sioh nicht bloß um das Erkennen, sondern um das Erforschen, nicht nur um den idealen Inhalt allein, sondern um auch die ideale Beschäftigung. — L. Lazarus: Zur Charakteristik d. talmudischen Ethik, 1877, S. 19/20.
7: Die Hochschätzung des Studiums hat für die rabbinische Welt den dreifachen Grund, daß das Wissen als das höchste und reinste Element der Seligkeit gilt, deren man schon hinieden teilhaftig werden kann; sodann daß es Quelle der geläuterten und befestigten Gesinnung, und daß es drittens deshalb selbst ein wichtiges Moment der ethischen Aufgabe ist; es ist die eminent ethische Beschäftigung des Geistes. — M. Lazarus: Die Ethik d. Judentums I, 1899, S. 77.
Christliche Schriftsteller
1: Die israelitische Erziehung hat vor der Erziehung aller heidnischen Völker das voraus, daß sie auf der Erkenntnis des einen, rein geistigen Gottes und seines Willens als des höchsten Gesetzes ruht; sie hat vor der Erziehung des griechischen Volkes, bei welchem das allgemeine Gesetz zuletzt in den Ansprüchen der subjektiven Willkür des Individuums untergeht, insbesondere das voraus, daß ihr das Gesetz ihres Gottes, allen Wandlungen des äußeren Lebens zum Trotz, in unantastbarer Reinheit und Heiligkeit stehenbleibt und ihr ein Ziel vorhält, welches auch in den Zeiten des Verfalls dem Menschen noch die aufmunternde Aufgabe stellt, in einem auf den Gehorsam gegen Gottes heiligen Willen gegründeten höheren Leben seine wahre Bestimmung zu suchen. — G. Baur: Geschichte d. Pädagogik, 1883, S. 638.