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Gespräch im Nebel : Leibniz besucht Spinoza / von Leo Hirsch
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trauen zu sich hatte. Er begann, von etwas an­derem zu sprechen. Er hatte eine hohe feine

Stimme, die gut zu seiner leichten, gewiegten Art paßte. Er dozierte nicht, sondern erzählte vom Descartes wie von einem guten gemeinsamen Be­kannten und wurde immer lebhafter und geist­reicher, je näher er an die Fehler kam, die der Bekannte gemacht hatte.

Da machte Spinoza einen beiläufigen Einwand, und sogleich zuckte Leibniz wieder unmerklich zurück und lenkte von neuem auf ein anderes Geleise über. Er mußte diesen Mann gewinnen, der mit der gleichen sachlichen Bestimmtheit, mit der man feststellt, daß es regnet, seinem Gaste die Tatsache vorgesetzt hatte: Ich habe kein Vertrauen

zu Ihnen.

Dabei glänzten die großen dunklen Augen die­ses Juden, es war ein Glanz ohne Trübung, ein Glanz ohne Lust und ohne Spott, ein Schimmern von Traurigkeit und Einsicht unter den dicken, schwarzen Augenbrauen, unter der hohen, blassen Stirn. Ja, das abgezehrte Gesicht war bleich, ob­wohl seine angeborene Farbe eher bräunlich oder oliven sein mußte. Er. war längst krank und schon

vom Tod gezeichnet.

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