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Gespräch im Nebel : Leibniz besucht Spinoza / von Leo Hirsch
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Leibniz durch den Kopf, an mir selbst vorbei­gelebt? Aber wer war diesesSelbst und was war die eigentliche Richtung dieses Lebens, an der man vorbeilief? Er hatte eine Fülle von Ta­lenten, die er erkannt, versucht, ausgebildet, zu bestechenden Erfolgen emporgetrieben. Er war ein Glückspilz, dem keine geistige Unternehmung fehlging. Hätte er auf eine einzige- verzichten sollen, um die anderen, oder auf alle anderen, um eine Anlage seines Genies noch viel höher zu för­dern? Konnte dieser denkendste aller Menschen das verlangen, der selbst auf verschiedenen Ge­bieten von den Naturwissenschaften bis zur reinen Erkenntnis nicht dilettiert, sondern meisterlich gearbeitet hatte? Wie konnte man Philosoph sein, wenn man nicht universal war? Wie konnte man Gottes Welt nach-denken, wenn man sie nicht von vielen Seiten her und auf mehrerlei Weise be­griff? Aber wenn man sie auf jede Art zu ver­stehen suchte, auf die man das Leben leben könnte, dann konnte, dann durfte auch die eine Art nicht ausgeschlossen sein, die Leibniz nicht die geringste Lebensfreude und Spinoza nicht die geringste Ab­neigung einflößte, die Politik. Und doch war es die Politik, ein riesiger, trüber Komplex von Le­ben und Lebensverhinderung, die Leibniz in die­sem Augenblick der Befangenheit unter Spinozas

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