Erfindung der jüdischen Orthodoxie? 187
lie und späteres Engagement für Napoleon ihm dauerhaften Haß der deutschen Nationalisten eintrug. Gegen die Nationalisten Friedrich Rühs, Jakob Fries, Ernst Moritz Arndt und Ludwig Jahn schrieb Ascher seine Germano- manie (1815), in der er in Ton und Stil eines Aufklärers und Rationalisten den romantischen Mystizismus, Antisemitismus und Chauvinismus attackierte. 290 Es ist nicht überraschend, daß Aschers Germanomanie eines der Bücher war, das von seinen Feinden aus der deutschnationalen Studentenschaft 1817 beim Wartburgfest verbrannt wurde.
Als Ascher 182z starb, war er als politischer Publizist und jüdischer Intellektueller bekannt und angesehen, aber sein frühes Buch Leviathan war beinahe vergessen. Seine Bindung an die jüdische Gemeinde war immer lose gewesen, an den Debatten über die Reform des synagogalen Rituals, die Veränderung der Gebetbücher oder die Einführung der deutschen Predigt im Sabbat-Gottesdienst hat er sich nicht beteiligt, obwohl genau solche Reformen im Sinne seines früheren Engagements gewesen wären. Auch an der Gründung des Vereins für Cultur und Wissenschaft der Juden hat sich Ascher nicht mehr beteiligt, zwei andere Maskilim der zweiten Generation taten dies an seiner Stelle: Aschers inner jüdischer Gegner Lazarus Bendavid und David Friedländer. Nichtsdestotrotz war es Ascher, der als erster eine Reform des Judentums gegen diejenigen vertreten hatte, die er als «orthodox» klassifizierte.
2 - Erfindung der jüdischen Orthodoxie?
In den Naturwissenschaften lassen sich Erfindungen wie die der modernen Dampfmaschine durch James Watt nieist leicht datieren. In den Kulturwissenschaften hingegen ist es nicht selten sehr schwierig, die Geburtsstunde einer Idee oder eines Begriffs zu datieren. Die okzidentale Geistesgeschichte vermittelt oft den Eindruck, immerwäh-