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Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
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Ausländskorrespondent und Arzt in Paris

setzte, die lange Zeit vom Zaren .verwehrt wurde. Er wird ab 1890 das Projekt einer landwirtschaftlichen Neuansiedlung russischer Juden in Argentinien, welches der Pariser Baron Maurice de Hirsch initiierte und finanzierte, begutachten und dann ab 1891 in Argenti­nien zeitweise leiten.

Dieser Freund, den Nordau vermutlich anläßlich der Pariser Weltausstellung von 1878 und der Gründung der Association litte- raire internationale kennengelemt hatte, empfiehlt Nordau an Dr. Stephany weiter, den Chefredakteur der Vossischen Zeitung, die gerade einen Paris-Korrespondenten sucht. Man wird rasch einig und Nordau ist fortan 11 , bis zum Ausbruch des Ersten Welt­kriegs, der Paris-Korrespondent der traditionsreichsten Tages­zeitung Berlins und eines der wichtigsten Blätter Deutschlands. 12 Wohlhabend geworden ist Nordau nur durch den Erfolg seiner Bücher, aber die Berufstätigkeit als Korrespondent sicherte ihm konjunktur- und erfolgsunabhängig in den folgenden Jahrzehnten ein festes monatliches Einkommen.

Korrespondent sein hieß vor allem: dauernde Präsenz. Denn der Korrespondent berichtete, im Gegensatz zum Feuilletonisten, in täglichen, per Telegraph übermittelten Depeschen über die tages­politischen Ereignisse. In einem Brief späterer Jahre an seinen Pa­riser Freund Eugen von Jagow, den Korrespondenten der mon­archistisch-ultrakonservativen Kreuz-Zeitung, schreibt Nordau zu dieser Pflicht: »Nun die technischen Fragen. Ich gebe morgens meine Depesche bis spätestens um 10, abends bis spätestens um 7 auf.« 13 Da die Zeitungen meist eine Morgen- und eine Abendaus­gabe hatten, mußte auch der Korrespondent zweimal täglich be­richten und telegraphieren. War er verhindert oder abwesend, mußte er sich vertreten lassen. Nordau war also mit einem Mal ziemlich streng auf Anwesenheit in Paris festgelegt. Das feste Ein­kommen hatte seinen Preis in der täglichen Routine.

11 Angaben aus: Anna Nordau, Max Nordau. Erinnerungen, S. 109f.

12 Vgl. Peter de Mendelssohn, Zeitungsstadt Berlin, Berlin 1982.

13 Brief Nordau an Eugen von Jagow v. 21.8.1889, zu finden im Zionistischen Zentralarchiv Jerusalem, Signatur: A 119/283/21. Im Zionistischen Zentralar­chiv liegen Hunderte von Briefen Nordaus an von Jagow, der, danach zu schlie­ßen, zeitweise der beste Freund Nordaus in Paris war.