De la castration de la femme
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Ziel und auch Ergebnis von Nordaus These ist es, zu zeigen, daß jene seinerzeit noch neuartige Operationsmethode, die trotz sonstiger körperlicher Gesundheit bei Indikationen von »Hysterie« und »Epilepsie« an Frauen regelmäßig, sozusagen schulmedizinisch, durchgeführt wurde, unsinnig und unnötig risikobehaftet sei, weil sie nicht zu den gewünschten Ergebnissen führe: Die Mortalitätsrate lag bei 10 Prozent, 20 ein Risiko, das nach Nordau in keinem zu rechtfertigenden Verhältnis zu den zu behandelnden Krankheitssymptomen und Heilerfolgen steht. Vor allem aber ist bei den genannten Indikationen der chirurgische Eingriff und die Verstümmelung der Frauen schon deswegen vollkommen überflüssig, weil erstens kein physiologisch nachweislicher Zusammenhang zwischen Eierstök- ken und Hysterie besteht 21 und zweitens, das deutet Nordau jedoch nur an, mit der durch Charcot eingeführten Hypnose eine einfachere, weniger aufwendige sowie physiologisch weit weniger schwerwiegende und gefährliche Behandlung von Hysterie möglich wurde. Die in den meisten Fällen unnötige und nach Lage der Dinge gar nicht angezeigte leichtfertige Verstümmelung der Frauen durch experimentier- und operationswütige Ärzte wird von Nordau hart kritisiert: Die Todesrate bei der genannten Operation liegt höher, als wenn medizinisch überhaupt nicht eingegriffen worden wäre.
Ohne daß wir hier eine aus heutiger Perspektive sicherlich fällige Diskussion und Revision des zweifelhaften Krankheitsbildes von »Hysterie« auch noch in der damals fortschrittlichsten Psychopathologie der Charcot und Nordau, Breuer und Freud leisten können, 22 bleibt festzuhalten, daß für Charcot und Nordau, wie auch noch für den jungen Freud, die Hysterie von weiblichen Patientinnen ein unbezweifeltes Krankheitsbild war, dessen Ursachenforschung ebenso wie dessen Therapiemöglichkeiten diese Mediziner allerdings vollkommen modernisiert, ja revolutioniert haben.
Eine seelische Krankheit wie die Hysterie, so etwas verklausu-
20 Ebd. S.56.
21 Ebd. S. 32.
22 Vgl. Jan Hendrik van den Berg, Metabletica. Über die Wandlung des Menschen. Grundlinien einer historischen Psychologie, Göttingen 1960, S. 119-164; Aron Ronald Bodenheimer, »Einen Freud suchen fürs Dritte Jahrtausend«, in: A. R. Bodenheimer (Hg.), Freuds Gegenwärtigkeit, Stuttgart 1989, S. 7-117.