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Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
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Liebe und Kabale

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ärztlichen Metiers als Nebenberuf und hilft Kosten sparen, die eine eigens angemietete Praxis machen würde.

Privat wandelt Dr. Nordau auf Freiersfüßen. Er will heiraten. Ver­mutlich im September 1881 auf dem Deutschen Schriftstellerkon­greß in Wien hatte er die in St. Louis geborene deutschsprachige Schriftstellerin Sarah Hutzier (1853-1893) kennengelernt, die sich später mit in Amerika spielenden Romanen und Erzählungen einen Namen machte. Es entsteht eine intensive Liebesbeziehung unter schwierigen Bedingungen: Sarah Hutzier lebt getrennt, aber noch nicht geschieden von ihrem Ehemann mit ihren zwei Kindern in Berlin, Nordau ist in Paris gebunden und bereitet dort gerade seine Dissertation vor. In dieser Situation werden von Paris nach Berlin die Liebesbriefe geschrieben, aus denen wir von Nordaus Verhältnis wissen. 27 Aus diesen Briefen können wir schließen, daß er Momente seiner gescheiterten Liebesbeziehung zu Sarah Hutzier in seinen Roman Gefühlskomödie, der 1891, also fast zehn Jahre später er­schien, halb-autobiographisch eingearbeitet hat.

Im Roman Gefühlskomödie, der zu nicht geringem Teil ein Briefroman ist, ist die Protagonistin Paula Ehrwein eine attraktive, aus Amerika zurückgekehrte, zudem geschiedene Mutter von zwei Kindern, eine, deutschsprachige »Amerikanerin« um die Dreißig, die den Junggesellen und Zoologieprofessor Gustav Bruchstädt, welcher, von seiner alten Mutter versorgt, in Brüssel lebt, auf einer Tagung in Deutschland kennenlernt und heiraten will. Es kommt zu einem glühenden halbjährigen Briefwechsel und zu geheimge­haltenen intimen Treffen, aber letztlich scheitern die Heiratspläne an der mangelnden Heiratswilligkeit des Junggesellen und am hin­haltenden Widerstand seiner alten Mutter, die die gemäß ihren Mo­ralvorstellungen unanständig und dekadent nach Parfüm riechen-

27 Diese Briefe Nordaus, die heute noch vereinzelt auf Auktionen angeboten werden, kursieren im Autographen-Handel, nachdem das Zionistische Zentral­archiv in Jerusalem in den fünfziger Jahren ihren Kauf abgelehnt hatte. In der Nordau-Literatur fehlt der Name Hutzier bis heute. In den offiziösen Erinnerun­gen Nordaus aus der Hand seiner späteren Frau Anna Dons fällt der Name Sarah Hutzlers nicht, in der daran angelehnten jiddischen Biographie Jacob Zinne- mans geistert sie nur anonym als die »Amerikanerin« herum. Vgl. Jacob Zin- neman, Der fargessener Nevi. Max Nordaus Lebens-Geschichte, Paris/New York 1951.