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Ausländskorrespondent und Arzt in Paris
nisse zwischen Dir und mir! Eins freilich sollst Du schon jetzt wissen. Du sagst mir, was Du von mir verlangen würdest. Ich würde aber von Dir noch mehr verlangen. Ich bin ein anspruchsvoller Liebender. Ich verlange meine Geliebte ganz und voll. Ich dulde nichts neben mir. Ich bin von der wüthendsten Eifersucht; nicht blos für Gegenwärtiges, sondern auch für Vergangenes und Zukünftiges. Ich gebe mich ganz, aber ich fordere den vollen Gegenwerth. Ich dulde es nicht, eine bloße Episode im Leben eines Wesens zu sein, dem ich gestatte, der ganze Inhalt meines Lebens zu werden. Ich weiß, wie ich liebe, wie ich anhänge, wie treu ich selbst in Gedanken und Träumen bin, und ich würde Dich erwürgen, ohne Reue, mit dem Bewußtsein, ein gutes Werk gethan zu haben, wenn ich erkennen würde, daß Du nicht so liebst wie ich (...) und daß Du neben mir noch Wünsche, Eitelkeiten, Empfänglichkeiten haben kannst.
Das ist es, was mich auch so angstvoll und zweifelnd macht. Du weißt, daß ich dem Weibe keine Tiefe und keine Beständigkeit zutraue. Am, Tage, wo ich auch bei Dir Flüchtigkeit erkennen würde, würde ich zur trostlosen Einsicht gelangen, daß mein Leben vergeudet, durch Dich in frivolem Spiel vergeudet ist. Bist Du Dir auch ganz sicher, (...) daß ich Dir so nothwendig bin, wie Du mir? Daß ich so tief in Dir wurzle, wie Du in mir?«
Welcher der vielen hier angedeuteten und erahnten Gründe für das Scheitern der Beziehung ausschlaggebend war, bleibt unbekannt. Ein erster Grund wird gleich zu Beginn des Fragments genannt: Die Schwester und vor allem die Mutter lehnen offensichtlich die Verbindung Nordaus zu einer noch verheirateten Frau mit zwei Kindern ab. Einer baldigen, von Nordau offensichtlich gewünschten Heirat steht darüber hinaus entgegen, daß Sarah Hutzier noch nicht geschieden ist und daß die Scheidung so bald nicht zu erwarten ist. Es ist auch möglich, daß der Berufs- und Lebensmittelpunkt, der ja der Humus einer intellektuellen Vita ist, bei Nordau und seiner Geliebten unvereinbar waren: Sie lebte eben in Berlin und er in Paris, und das nicht zufällig, sondern aufgrund eigener Wahl.
Legen wir seine oben ausgemalte Eifersucht und das patriarchal- darwinistische Frauenbild der nur ein Jahr später erschienenen Conventionellen Lügen zugrunde, das die Frau auf ihre Mutter-