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Psychopathologie des Fin de siècle : der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau / Christoph Schulte
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Liebe und Kabale

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Björnsons 1910 geschrieben und im Feuilleton der Neuen Freien Presse abgedruckt, ein Nachruf mit fast 30 Jahren zeitlichem Ab­stand, der von der vollen Überzeugung Nordaus von seiner eigenen Bedeutung getragen ist. Er gibt indessen sehr lebendig und persön­lich etwas von Nordaus Lebensumständen wieder: Nordau ist der gesellige kulturelle Mittler zwischen Kunst und Wissenschaft, Paris und Skandinavien. Zugleich hält er auch Distanz, er bleibt Beob­achter und Kritiker, allen eigenen künstlerischen Ambitionen zum Trotz.

»(...) Unsere Beziehungen begannen im Herbst 1882 und dau­erten über zwei Jahre. Im Sommer 1882 war Björnson mit seiner Gattin und seinen zwei Töchterchen (...) zu längerem Aufenthalt nach Paris gekommen und hatte sich hier häuslich eingerichtet. Allerdings nur summarisch. Es waren nur die gerade notwendig­sten Möbel angeschafft worden und die Wohnung in der Avenue de Niel, wo die Familie vier Treppen hoch gemietet hatte, glich dem Innern eines Zeltes im Feldlager. (...)

Björnson suchte in Paris zugleich Ruhe und Anregung. (...) Er war ein rüstiger Fußgänger und wanderte oft viele Stunden lang durch die Straßen, um sich mit den Anblicken der geschicht­lichen Stätten vertraut zu machen. Nicht selten lehnte er an der Brustwehr der Kais und träumte in den gekräuselten grau-grü­nen Seinespiegel hinab. (...) Er hatte damals gar keine französi­schen Beziehungen und er war zu stolz, sich um sie zu bemühen. Frankreich wußte nichts von ihm. Seine Werke waren noch nicht ins Französische übersetzt. Die Zeitungen beschäftigten sich nicht mit ihm. Seine Anwesenheit in Paris blieb unbemerkt. Französischer Umgang wäre ihm übrigens auch schwer gewor­den und hätte zunächst unfruchtbar bleiben müssen, denn er sprach so gut wie gar kein Französisch, obschon er es ziemlich leicht las. (...)

Björnsons Kreis setzte sich in Paris fast nur aus Skandinavi­ern, hauptsächlich Norwegern, zusammen. Am nächsten stand ihm Jonas Lie, der treffliche Erzähler, der sich mit Frau und Kin­dern dauernd hier aufhielt. (...) Ein anderer vertrauter Freund war Fritz Thaulow, der Riese, der es gerne hörte und mit einem geschmeichelten Lächeln quittierte, wenn man seine in der Tat verblüffende Ähnlichkeit mit dem sarnesischen Herkules, dem