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elde in der Nähe des Lerchenbuſches entgegengegangen und hat ihn unter heißer Dankſagung in Gegenwart aller Generale und Offiziere umarmt.
Mit keinem Worte hat er die Vorgänge erwähnt, die der Schlacht vorangingen, geſchweige denn des eigenen Anteils gedacht, den er ſich ſelbſt an der Herbeiführung dieſes Sieges zurechnen konnte. Beſtand ein ſolcher Anteil tatſächlich, dann legt dieſe Handlungsweiſe des großen Königs gerade demjenigen, der dieſe Schlacht betrachten will, die ernſte Pflicht auf, in ein gehender Weiſe die Verhältniſſe darzulegen, unter denen dieſe Schlacht zu ſtande kam, um in gerechter Abwägung dann des Königs wie des Feld marſchalls Anteil an dem Siege von Keſſelsdorf feſtzuſtellen.
Hierzu iſt es unerläßlich, ſich die Lage klarzumachen, in der ſich zu Ende des Jahres 1745 auf dem in Frage tretenden Kriegsſchauplatze die beiderſeitigen Heere befanden.
Zu dieſem Zwecke iſt auf dem beigegebenen Plane I die Skizze der „Lage Anfang November 1745“ angefertigt worden. Sie zeigt die preußiſchen Hauptkräfte in Schleſien, die öſterreichiſchen Hauptkräfte in Böhmen, die öſterreichiſche Heeresabteilung des Generals Grünne im Marſche vom Rhein, die Sachſen bei Leipzig, und ihnen gegenüber preußiſche Truppen unter dem Befehl des Fürſten von Deſſau bei Halle.
Um dieſe dargeſtellte Lage ganz zu verſtehen und ſie richtig zu beurteilen, iſt es leider notwendig, etwas weiter auszuholen.
Der König von Preußen hielt den Feldzug 1745 bereits gegen Ende November für beendet und hatte den Oberbefehl in Schleſien an den Feld marſchall Erbprinzen Leopold von Anhalt⸗Deſſau übergeben. Er war am 30. Oktober nach Berlin abgereiſt, wo er am 1. November ankam.
Hier erfuhr er am 11. November, an dem Tage, der zur feierlichen Niederlegung der bei Hohenfriedberg und Soor genommenen feindlichen Feldzeichen in der Garniſonkirche von Berlin beſtimmt war, durch den ſchwediſchen Geſandten in Berlin Rudenskjöld, der ihm in beſonderer Verehrung ergeben war, daß ſeine Anſicht von der Beendigung des Feldzuges eine trügeriſche war.
Seine Gegner hatten bereits die einleitenden Schritte zu einem Winterfeldzuge begonnen, der den Ausgang des zweiten Schleſiſchen Krieges noch in letzter Stunde zu ihren Gunſten wenden ſollte.
Rudenskjöld war in der Lage, dem König Friedrich die Abſchrift eines Schreibens ſeines Dresdener Kollegen Wolfenſtjerna zu übergeben, aus dem ſich alle wünſchenswerten Einzelheiten über den geplanten öſterreichiſchſächſiſchen Angriff ergaben.
Sachſen hatte bislang nur als Hilfsmacht, nicht als kriegführender Staat am Kriege teilgenommen, eine Unterſcheidung, die der geſunde Realismus der heutigen politiſchen Begriffe wohl nicht zulaſſen würde, die der Auffaſſung des 18. Jahrhunderts aber entſprach. Sie wurde namentlich von