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Die Schlacht bei Kesselsdorf : Vortrag, gehalten in der Militärischen Gesellschaft zu Berlin zur Feier des Friedrichstages 1904 (mit zwei Plänen in Steindruck) / von v. Lindenau
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druck kommt, erklärlich. In jedem einzelnen dieſer Unterkunftsbezirke hält der König mehrere Tage an. Je näher er der Elbe kommt, deſto kleiner werden die Unterkunftsräume, deſto ſchlagfertiger iſt ſein Heer. Es iſt ſehr intereſſant, feſtzuſtellen, daß öſterreichiſcherſeits zweimal ein folder Vorſtoß, zu dem ja ſchon die preußiſchen durch die Lauſitz nach Schleſien geführten Verbindungen aufforderten, tatſächlich in Vorſchlag geſtellt worden iſt.

Es war der Vorſchlag Grünnes vom 4. Dezember, mit ſeinem Korps und der ſächſiſchen Armee von Dresden auf dem rechten Elbufer gegen den König vorzurücken, den die über Zittau wieder vorzuführende Armee des Prinzen Karl gleichzeitig angreifen ſollte, von dem man aber zurückkam, als man ſich ſagte, daß alsdann der Fürſt von Anhalt auch auf das rechte Elbufer rücken könne und mit dem Könige gemeinſam die ſächſiſche Armee von zwei Seiten angreifen oder auf dem linken Ufer verbleiben und ſich inzwiſchen Dresdens bemächtigen werde.

Nachdem ſich das Heer des Prinzen Karl von Gabel aus wieder in der Weiſe in Bewegung geſetzt hatte, wie es ſeine Marſchdarſtellung auf dem Plane*) erkennen läßt, und am 9. Dezember die Gegend von Loboſitz erreicht hatte, kam man ſogar nochmals auf den Gedanken eines Vorſtoßes auf dem rechten Elbufer in die linke Flanke des Königs zurück. Diesmal gab man ihn wegen der Schwierigkeiten auf, die der Brückenſchlag bei dem Eisgange der Elbe hatte. Jedenfalls ſteht alſo feſt, die Oſterreicher haben einen Vorſtoß auf dem rechten Elbufer gegen den König zweimal erwogen.

Den Grund, warum der König bei ſeiner ſonſt ſo kühnen Veranlagung nicht auch hierpraevenire ſpielte und feinen Feinden in der Richtung auf Dresden ſelbſt entgegenrückte, haben wir bereits kennen gelernt. Er war rein politiſcher Natur. Der König glaubte mit dem Vertrage von Hannover in der Taſche noch immer gerade durch Mäßigung Sachſen zu einem raſchen Sonderfrieden zu bringen.

Wenn er ſich hierin getäuſcht und in rein militäriſcher Hinſicht in den Tagen nach Katholiſch⸗Hennersdorf große Vorteile vergeben hat, ſo gehören die Erwägungen des Königs, die hierfür beſtimmend geweſen ſein müſſen, zu jenen pſychologiſchen Vorgängen in der Seele großer Herrſchernaturen, die ſchwer erklärbar ſind, bei denen die Gedanken des Staatsmannes und Feldherrn zu keinem harmoniſchen Abſchluſſe gelangen können und darum ein unerfreuliches Ergebnis zeitigen. Ein ſchlagendes Beiſpiel hierfür iſt Moskau 1812, wo der Feldherr Napoleon längſt zurück mußte, aber der Staatsmann den Erfolg noch ertrotzen wollte.

Doch nun zu den Maßnahmen auf öſterreichiſch⸗ſächſiſcher Seite!

*)Skizze der Heeresbewegungen in Sachſen und Böhmen, von Ende November 1745 bis zur Schlacht bei Keſſelsdorf.