Teil eines Werkes 
1 (1912) Sagen
Entstehung
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nicht mitnehmen. So vergräbt er sie denn unter dem dritten Baume vom Schlagbaum links an der Landstraße. Dann nimmt er seinen Weg an Berlin vorüber und läuft bis nach der schlesischen Grenze, an sechzehn Meilen und leicht auch darüber.

2. Bettelnd hilft er sich weiter. Ein kaiserlicher Offizier nimmt ihn, nachdem er mancherlei erlebt hat, in seine Dienste; der Junge führt sich allezeit gut. Als er mehr herangewachsen ist, wird er Soldat, und zwar ein kaiserlicher Reiter. Er geht mit nach Ungarn und wird Unteroffizier; ja, er hat das Glück, Offizier und schließlich sogar Rittmeister zu werden. In vielen Kämpfen gegen die Türken hat er sich ausgezeichnet; sein Leib ist mit Narben bedeckt.

III. Zurück nach Berlin.

1. Achtzehn Jahre sind verflossen, da beschließt unser Ritt­meister, seine Heimat einmal wieder zu besuchen. Er nimmt Urlaub und kommt auch richtig in Berlin an. Er kehrt in einem großen und schönen Gasthause in der Breiten Straße ein, und da ihm sein früherer Meister wieder einfällt, läßt er Nachfragen, ob er noch am Leben sei. Er erhält den Bescheid, der Meister sei zwar noch nicht verstorben, mit dem Handwerk aber stände es übel. Er habe fast gar keine Gesellen mehr und bringe sich nur kümmerlich durch.

2. Der Rittmeister machte sich auf den Weg, fand auch richtig noch Straße und Haus und trat ein. Mit vielen Bück­lingen kam ihm ein alter, gebeugter Mann entgegen, den er erst gar nicht als seinen früheren Meister erkennen konnte. Von der Ofenbank hinterm Spinnrade aber erhob sich ein krummes Mütter­chen, knickste sehr viel, wischte den Sessel, auf den sich der Herr Rittmeister setzen sollte, wieder und wieder mit der Schürze ab und machte tausend Entschuldigungen, daß das Polster so ein­gesessen, der Überzug so verblichen und gar nicht passend für einen so vornehmen, weit gereisten Herrn sei. Dann kroch sie zurück zum Spinnrade. Der Rittmeister ließ sich von dem Meister ein Paar Stiefel anmessen. Das Geschäft ging langsam von­statten, denn des Meisters Augen waren nicht mehr recht hell. Da fragte ihn der Rittmeister, ob er nicht einst, es könnten wohl

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