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95. Der Schatz in Angermünde.
Markgraf Otto der Vierte mit dem Pfeil war ein tapferer Degen, auch in auswärtigen Kriegen, namentlich in den Heerfahrten des verwandten Böhmenkönigs Ottokar gegen Ungarn und gegen Rudolf von Habsburg. Er war aber auch ein tüchtiger Fürst daheim, dem das Mehren und Erhalten gleich am Herzen lag, der auch die Bildung in seinen Landen auf alle Weise zu fördern suchte. Im Frieden liebte er eine fröhliche Hofhaltung, befleißigte sich auch selbst des Minnegesanges und wurde von anderen Sängern gepriesen als ein „Bronnen aller Tugenden, dessen Ruhm in manchen Landen blühet". Nichtsdestoweniger war der Krieg sein eigentliches Element, und wo sich Aussicht zur Mehrung und Befestigung feiner Macht bot, da ergriff er sogleich die Gelegenheit.
So war im Jahre 1277 der erzbischöfliche Stuhl von Magdeburg erledigt, und Otto gab sich alle Mühe, seinen Bruder Erich, der sich dem geistlichen Stande gewidmet hatte, auf diesen Sitz zu erheben. Das gelang ihm nun freilich nicht; aber doch schien ihm die Gelegenheit günstig, dafür den neuen Erzbischof Günter mit Krieg zu überziehen. Das lief jedoch sehr schlecht ab; denn am 10. Januar 1278 wurde Markgraf Otto bei Frohse nicht allein gänzlich geschlagen, sondern er geriet sogar in Gefangenschaft und wurde im Triumph nach Magdeburg geführt. Den stolzen Feind, der sich vermessen hatte, seine Pferde im Dome von Magdeburg zu füttern, so tief wie nur möglich zu demütigen, wählte Erzbischof Günter allerdings das denkbar schimpflichste Mittel. Er ließ einen großen Käfig bauen, in den der gefangene Markgraf gesetzt und auf dem Markte dem Volke zur Schau ausgestellt wurde. Man kann sich denken, mit welchem Hohn und Spott die guten Magdeburger den gefangenen Löwen übergossen.
Nun hätte der Erzbischof, um den verhaßten Feind unschädlich zu machen, ihn am liebsten wohl für immer in Haft behalten. Indessen gelang es den unausgesetzten Bemühungen von Ottos Gemahlin Heilwig bei den Ratmannen von Magdeburg, daß diese ihren Herrn schließlich doch zur Annahme eines Lösegeldes bestimmten. Dasselbe wurde allerdings auf die für die damalige Zeit ungeheure Summe von 4000 Mark Silber bemessen, nach unserem jetzigen Gelds etwa eine halbe Million. Der Erzbischof mochte rechnen, daß dies gleichbedeutend fei mit ewigem Kerker;