Einführung 15
Einführung
Die gesellschaftliche Einschätzung der Arbeit und der Formen der Arbeitszeit ist einem ständigen geschichtlichen Wandel unterworfen. Dabei haben sich derartige Veränderungen oft fast unbemerkt angekündigt. Wie bei vielen großen geistigen und politischen Revolutionen besteht allerdings auch hier die Gefahr, daß man das ursprünglich ins Auge gefaßte Ziel verfehlt und eben nicht das erreicht, was einmal beabsichtigt war.
Jahrtausende war der Mensch insofern Sklave der Zeit, weil die Arbeitszeit über den ganzen Tag verteilt war. Dies schloß allerdings nicht aus, daß es längere Zeiten der Muße, z. B. im Winter, gab. Materieller Wohlstand und Freiheit des Denkens schufen allmählich die Voraussetzungen für größere Unabhängigkeit und Souveränität im Umgang mit der Arbeitszeit. Dabei war zunehmende Zeitsouveränität über längere Zeit hinweg gleichzusetzen mit permanenter Arbeitszeitverkürzung.
Nichts liegt deshalb näher, als gerade in der gegenwärtigen Situation mit ca. zwei Millionen registrierten Arbeitslosen allein in der Bundesrepublik Deutschland weitere Verkürzungen der Arbeitszeit zu empfehlen. Dabei wird meistens übersehen, daß die Lage auf dem Arbeitsmarkt nur bedingt von den jeweils üblichen Arbeitszeitregelungen abhängig ist, sondern ungleich stärker von den Kenndaten der technologischen, ökonomischen und demografischen Entwicklung.
Dies ist letzlich am Verlauf und am Ergebnis der tariflichen Auseinandersetzungen der letzten Jahre sowie ihrer Folgewirkungen deutlich geworden.
Arbeitszeitverkürzung ist in der Regel ein sehr populäres wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Ziel. Die vorhandene Arbeit auf alle arbeitswilligen Erwerbspersonen besser zu verteilen, indem man sie möglichst gleichmäßig verkürzt, gilt gerade unter Solidaritätsaspekten als vernünftig und als erstrebenswert.
Letztlich handelt es sich jedoch oft nicht mehr als um einen Umteilungsvorgang, der dem Kurieren an Symptomen gleichkommt: die Ursachen einer wirtschafts- oder arbeitsmarktpolitischen Fehlentwicklung werden