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Arbeitszeit im Wandel : Möglichkeiten und Formen der Arbeitszeitgestaltung / von Helmut Glaubrecht; Dieter Wagner; Ernst Zander
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186 Das Prinzip der Kongruenz von Betriebszeit und persönlicher Arbeitszeit

I. Das Prinzip der Kongruenz von Betriebszeit und persönlicher Arbeitszeit

Zu den tiefverwurzelten Mythen der abendländischen Industriegesell­schaft gehört die Überzeugung, die Arbeitszeit des einzelnen Arbeitneh­mers müsse mit der Betriebszeit prinzipiell deckungsgleich sein. Das sich hierauf gründende, einst sicher berechtigte Dogma von der starren Ar­beitszeit ist weithin ungebrochen. Selbst der Siegeszug der Gleitzeit hat es bisher nicht nachhaltig vermocht, die Vorstellung auszurotten, wer nicht annäherndpünktlich, d.h. zu Beginn der längst abgeschafften früheren starren Arbeitszeit, also etwa 8.00 Uhr, an seinem Arbeitsplatz sei, könne unmöglich fleißig und zuverlässig sein. Das belegt im übrigen auch die Tat­sache, daß sich variable Arbeitszeiten, d.h. flexible Regelungen, die auf die Festlegung einer Kernzeit verzichten, bisher nicht in nennenswertem Umfang haben durchsetzen können, sich aber weiter auf dem Vormarsch befinden. Die Gleitzeit ist das Äußerste der Gefühle. Und so beschränkt sich die Flexibilität auf Beginn und Ende der Arbeitszeit, so daß die Kon­gruenz von Betriebszeit und persönlicher Arbeitszeit weitgehend erhalten geblieben ist.

Nicht wesentlich anders als mit der Beweglichkeit bei der Lage der Arbeits­zeit verhält es sich auch mit ihrer Dauer. Die verkürzte Arbeitszeit ist nach wie vor eine Domäne der Frau. Nur knapp 3% der Teilzeitbeschäftigten sind Männer. Schon hieran zeigt sich, daß die Teilzeit im wesentlichen ein Zweitverdiener-Phänomen ist. Keinesfalls kann sie bisher als Ausdruck eines durchgreifend neuen Arbeitszeitverständnisses aufgefaßt werden.

Um ein beliebtes Modewort aufzunehmen: Die Arbeitszeitstrukturen sind nach wie vorverkrustet. Erst die Beschäftigungskrise seit Ausgang der 70er Jahre und die Diskussion um die Verkürzung der Wochenarbeit 1984/85 haben wieder Leben in die Arbeitszeitdiskussion gebracht.Hier ist es vor allem die Arbeitszeitflexibilisierung, die die Phantasie anregt und Hoffnungen weckt. Das gilt insbesondere für variable und für flexible Ar­beitszeiten.

Variable und flexible Arbeitzeiten haben nicht nur eine rein zeitliche(tem­porale) Dimension. Darüber hinaus bestehen immer auch qualitative Aspekte hinsichtlich der Aufgaben-Zuordnung und quantitative Aspekte im Hinblick auf die Arbeitskräfte-Zahl.!8 Insofern sind vielfältige orga­

189 Vgl. Hamel, W.: Flexibilisierung der Arbeit aus betriebswirtschaftlicher Sicht, Personal­wirtschaft 1985, S. 377385, insb. S. 381.