Druckschrift 
Hermann Cohen als Mensch, Lehrer und Forscher : Gedächtnisrede, gehalten in der Aula der Universität Marburg, 4. Juli 1918 / von Paul Natorp
Entstehung
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Es geziemt sich wohl, daß die Marburger Universität das Hinscheiden eines Gelehrten, der fast vier Jahrzehnte hindurch mit immer steigender Wirkung seine Lehrtätigkeit an ihr aus­geübt hat, nicht schweigend übergeht. Zwar habe ich schon bei der Trauerfeier in Berlin auch im Namen der Universität und Fakultät Hermann Cohen ein letztes Lebewohl Nachrufen dürfen; aber es würde doch etwas fehlen, wenn wir nicht auch hier seiner gedächten und dem Dank, den er um uns verdient hat, Ausdruck gäben. Es ist ja solches Danken gleichsam ein symbolisches; man gibt damit dem Andern nichts wieder für das, was in ihm uns gegeben ward. Aber gerade weil die wirkliche Erwiderung ab­geschnitten ist, ist es uns selber Bedürfnis, wenigstens den sym­bolischen Dank nicht zu unterdrücken. So war auch Cohens per­sönliche Art, daß er nicht bloß den Sinn der Liebe und des Dankes nicht entbehren, sondern beides auch ausgesprochen haben wollte. Mit rührender Bewegtheit nahm er solchen Ausspruch stets hin. Verwöhnt worden ist er damit nicht.

Aus diesem Gefühl habe ich, in niemandes Auftrag, aber in herzlichem Einvernehmen mit den näheren Freunden und mit ausdrücklicher warmer Zustimmung des Rektors und Senats, Sie alle, die ihn geliebt, von ihm gelernt, aus der Nähe ihn ge­kannt, oder auch aus weiterem Abstand doch in seiner scharf ge­zeichneten Eigenart ihn geachtet, das Edle darin, auch wenn als Gegner, nicht verkannt haben hier versammeln wollen, daß wir noch einmal sein Bild uns vor Augen stellen und in Gedanken einen Kranz auf sein Grab niederlegen, einen Kranz nicht von verwelklichen Blumen, auch nicht Redeblumen, sondern von schlicht gedenkenden Worten. Nicht lobenden; was ist Lob eines Sterblichen im Angesichte der Ewigkeit? Das verwelkt, rascher