Heft 
(1913) 2
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mußte sein Gut verkaufen. Sein Nachfolger wußte das Gold des Hügels auf andere Weise zu finden. Von den unglaublichen Mengen von Steinen, die dort unter der Erddecke in so rätselhafter Menge aufgetürmt lagen, fuhr er Wagen für Wagen zuni Verkauf, und schlug eine gewaltige Bresche hinein in das Rund des Hügels. Dabei geschah es dann, daß Arbeiter auf das Gewölbe stießen, in dem wohlverwahrt in einem Tongefäß eine schöne Bronzeurne stand, neben der ein Bronzeschwert im Boden stak, daneben eine Tonnrne, die die Reste einer Frau enthielt, König und Königin, die hier nebeneinander bestattet waren. So hatte die Sage, die von dem dreifachen Sarge erzählte, Recht behalten. Seitdem ist die Steinabfuhr abgestellt. Zu dem Gewölbe, das so groß ist, daß 34 Menschen sich gebückt zu gleicher Zeit darin aufhalten können, führt eine mit Gitter verwahrte Treppe herunter. Die Urne und das Schwert sind frei­lich in den Besitz der Stadt Berlin übergegangen, aber sonst ist das Königs­grab, das der Prignitz entwachsen ist, der Prignitz erhalten geblieben, und er­zählt noch jeden: Besucher, der zu lauschen versteht, die Geschichte von freien, großen und kühnen Männern, die vor Jahrtausenden hier gelebt haben, Vor­fahren der heutigen Prignitzer, die noch zu ihnen sprechen möchten, selbst über so endlose Zeiten fort.

Welch ein hoher Sinn in diesen Menschen gelebt haben muß, das wird einem erst völlig klar, wenn man oben auf den: Hügel steht und den Blick in das weite Land gewinnt. Wahrlich, ein schöneres Grab und ein erhabeneres Denkmal für einen Großen kann man sich nicht vorstellen. So weiß nur ein hochgesinntes Volk seine Toten zu ehren. Weit dehnt sich nach allen Seiten die Ebene, ein Kranz von dunklen Wäldern umgibt sie. Wir sehen den Weih und den Bussard darüber schweben und hören zugleich das jubelnde Lied der Lerche. Schwermütig und ernst, voll Größe und doch zugleich voll Lieblichkeit ist diese nordische Landschaft. An trüben Tagen, in denen dunkle Wolken über die Hügel ziehen und die Kiefernwälder noch schwärzer erscheinen als sonst, liegt Düster und Ernst über dem Bilde. Jetzt im Frühling, in dem die jungen Saaten grünen und das zarte Goldgrün der Birken vor den Kiefern steht, denken wir an Baldur, den lichten Gott der Germanen oder an Siegfried, ihren sonnigsten Helden. Dieser Hügel und jene gewaltige Sagen- und Götterwelt, sie gehören zusammen, sie entstammen demselben hochgemuten, ans das Un­vergängliche gerichteten Germanengeist.

Einsam, eine erhabene Einzelbestattnng, erhebt sich dies Grab. Etwa eine halbe Stunde davon entfernt aber lag ein Gräberfeld, wo sich Hügel an Hügel schloß, nicht so hoch wie jener, aber jeder in seiner Art noch ein stolzes Denk­mal. Vor wenigen Jahren noch lagen die meisten von ihnen unberührt, heute sind nur noch einige davon zu finden. Die Mehrzahl ist beim Steineroden zerstört, meist ohne daß auf ihren Inhalt geachtet wurde. In: vergangenen Jahre hat unser Museum einen der größten dieser Hügel sorgfältig ausgegraben. Die reichen und interessanten Funde sind in einen: Schrank vereint ausgestellt. Zeitlich schließen sie sich den: Inhalt des Königsgrabes an. Waren es die tapferen Mannen jenes großen Kriegers, die hier, unweit von ihm, ihre letzte Ruhestatt fanden, treue Vasallen, zu seinen: Dienste bereit? Das sind Ver­mutungen, Träumereien. Wunderbar nullet uns die große Einsamkeit des Königsgrabes an. Wie war der Mann beschaffen, den: in heißer, mühsamer Arbeit der Seinen diese Totenkammer gebaut ward? Hat er sich selbst diese Stelle ersehen, von der der Blick so weit über das ernste, nordische Land geht? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, daß diese erhabenen Gräberstätten, deren es noch manche in unserer Prignitz gibt, mithineingehören in den Ernst und die Schönheit unserer Landschaft, und daß sie eine beredte Sprache sprechen für den, der zu hören versteht. A. v. Auerswald.