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Die „Wiedergeburt" des neuen Tages wurde symbolisiert als Emporheben der Sonne durch die „Hand des Auferstehenden" oder des „Sonnenhebers". Dem entsprechen im Futhark die 5. und 6. Rune (ru und ka).
Im „Auferstekenden" aus dem winterlichen Grab erkennen wir den Gottessohn der christlichen Glaubenswelt. In der nordisch-germanischen, „heidnischen" Mythologie treffen wir bereits auf diesen Glauben der „Menschwerdung". Es ist Tin (Tyr, Tor, Ziu, Ull — der „Gott") der „Heilbringer", der Gott und Mensch. Tuisto, der Zwiefache, heißt er in der germanischen Stammessage-, von ihm stammt Mannus, der Mann oder Mensch, der wiederum der Stammvater der drei großen germanischen Verbände der Jngväonen, Jstväonen und Jrminonen wird, die wir zur Römerzeit im Germanenlande antreffen. Das „Zwiefache" Zeichen wurde ausgedrückt durch Abb. 7Z (aufsteigende Jahreshälfte mit dem gehobenen Arm, 2-Rune ----- Ziu, Tiu) und Abb. 7ti (absteigende Jahreshälfte mit dem gesenkten Arm, Vr-Rune), zusammengesetzt zu Abb. 7i. Auf unseren Friedhöfen finden wir noch alte, eiserne Grabmäler in der Form des aus dem Grabe aufsteigenden, dreiästigen „Lebensbaumes". Die letztgenannte Hieroglyphe gehörte Tiu, dem „Gott" der Nordländer. Der „All-Heger" wurde er genannt, danach die 7. Rune „tmAnI". Unser gegenwärtiger Wortstamm — Hagen geht hierauf zurück, vgl. die Ortsnamenenduugen in der Prignitz! War nun der Tag der Sommersonnenwende vorüber und die Herbsttag- und Nachtgleiche gekommen, dann begann mit der sinkenden Sonne und den Herbststürmen die Leidenszeit des zum Menschen gewordenen Heilbringers. Er mußte sterben, um zur Julzeit wieder zu erstehen. Dieser Jahresteil erhielt die Vr-Rune (Menschzeichen) mit den gesenkten Armen und dem Kreuz. Dieses Zeichen ist nur eine Abwandlung der rechten, ursprünglichen ll^r-Rune, die statt des Kreuzes den Ger oder Speer zeigt (Abb. 7K) und im nordgermanischen Runenalphabet zum t wurde.
Nach der Wintersonnenwende begann der Jahresaufstieg, der neues Hoffen brachte. Freude herrschte wieder unter den Menschen. In die Spinnstuben zog nach der nicht ungefährlichen Zeit der heiligen 12 Nächte ungebärdige Lebenslust ein, die bis zur Fastnacht dauerte. Drum trug der erste Monat des Jahres seine besondere Rune, die tu- oder pu-Rune. Sie ist uns bis heute erhalten geblieben im ersten Buchstaben k des Futhark und der späteren Umbildung zum u (das tu-Zeichen spaltete sich).
Trug der höchste Gott der Jndogermanen noch den Namen Tyr oder Tiu, so trat diese mächtigste Gottheit bei den späteren Germanen mehr in den Hintergrund zugunsten des Himmel-