Litzbarski, Borchert& Watzke: 30 Jahre Förderverein Großtrappenschutz e. V.
wie eine effektive Vermeidung von Anflugopfern an den oben auf den Talbrücken laufenden Energieleitungen nicht möglich gewesen. Deshalb wurde auch diese Variante von den Mitarbeitenden der Naturschutzstation und des Fördervereins abgelehnt.
Um die Machbarkeit der„ Schutzwälle" sachlich zu überprüfen, hat der Vorsitzende des Fördervereins mit der Planungsgesellschaft verhandelt. Schutzwälle mit einer Höhe von maximal 7,5 m über Schienenoberkante und eine Reihe von Zusatzfestlegungen zur Sicherung einer störungsarmen Bauphase waren das Ergebnis. Zu den von der Bahn AG gebilligten Zusatzforderungen gehörten ein Nachtbauverbot, eine Baupause zwischen 1. März und 31. August, keine Baustraßen und Materiallager im Schutzgebiet, die Umsetzung eines gleiskörpernahen, als Orchideenstandort( Gymnadenia conopsea) bekannten Grünlandbereichs und die Finanzierung eines Monitorings zur Untersuchung bau- und betriebsbedingter Auswirkungen des ICE- Projektes auf die Flora und Fauna des NSG Havelländisches Luch. Ebenso wurde die Einstellung einer naturschutzfachlichen Baubegleitung zur Absicherung dieser Forderungen akzeptiert. Zum Jahresende 1995 stimmte der Umweltminister Matthias Platzeck dem Vorschlag ,, Schutzwälle" des Fördervereins mit der Auflage zu, dass die Naturschutzverbände vom Förderverein zeitnah über die neue Entwicklung des ICE- Projektes unterrichtet werden. Das erfolgte zu Beginn 1996 vor Ort. Bis auf die Grüne Liga Berlin gaben alle ihre Zustimmung. Die folgende Bauphase verlief im NSG wie gefordert störungsarm, ohne erkennbare Auswirkungen auf den Großtrappenbestand. Dank der großartigen Arbeit unserer naturschutzfachlichen Baubegleiterin, Anne Schöps, und trotz der massiven Einschränkungen in den Bauzeiten erfolgten die Bauarbeiten zügig und ohne Schwierigkeiten mit den bauausführenden Firmen ( SCHÖPS 2009). Die 5,3 km langen Wälle erfüllten ihre Schutzfunktion für die Großtrappen in vollem Umfang. Unfallopfer sind bisher bei Groẞtrappen nicht bekannt geworden. Der Sicht- und Lärmschutz der Wälle ist so wirkungsvoll, dass im Bereich der Wälle beiderseits der Bahntrasse kein Lebensraumverlust zu erkennen ist( MENZ 2003).
Über dieses ICE- Projekt wurden zahlreiche Falschmeldungen in den Medien verbreitet. Vor allem wurde die für die Schutzmaßnahmen, ein
65
schließlich zweier„ Fischotterbrücken", ausgegebene Summe von 25 Mio. DM in der Regel verdoppelt oder verdreifacht. Es gab nie einen Hinweis darauf, dass es der Förderverein war, der mit seinem Alternativvorschlag zur Einsparung von mindestens 900 Mio. DM geführt hatte.
Jahre später äußerte sich der damalige Verkehrsminister Peter Ramsauer ( CSU ) wie folgt:„ In einer offenen und transparenten Gesellschaft wie der unseren sind Großvorhaben komplex. Da wird eben bisweilen nachgeschaut, ob sich die Mopsfledermaus auch nach Fertigstellung eines Projekts dort noch wohlfühlt, und es werden Spechte in nahe, geeignete Bäume umgesetzt, damit sie heimatliche Gefühle haben. Oder nehmen Sie die Groẞtrappen, deren Schutz beim Bau der Bahnlinie Berlin - Hannover Millionen Euro gekostet hat. Das wurde gewissenhaft erledigt, weil das in unserer Gesellschaft wichtig ist. Die Trappen sind übrigens am Ende von Füchsen fast allesamt aufgefressen worden. Wir haben jetzt neue aus Polen kommen lassen."( Welt am Sonntag, Internetausgabe, 10.06.2012). Gleich drei Falschaussagen. Die Kosten fielen in DM und nicht in Euro an. Natürlich gibt es regelmäßig Verluste durch Füchse, aber das kontinuierliche Prädationsmanagement( siehe 2.5) hat mit dazu beigetragen, dass sich der Großtrappenbestand nach dem Abschluss des ICE- Baus auch ohne Auswilderung handaufgezogener Jungtrappen gut entwickelt hat. Die dritte Falschaussage betrifft die Groẞtrappen aus Polen . Über zehn Jahre nach dem Aussterben der Großtrappen in Polen brüstete sich der Minister mit dieser Falschaussage. Damals wie heute wurden von den Projektbeteiligten Vorschläge der Politik zur Bestandsaufstockung mit Großtrappen aus anderen Regionen Europas abgelehnt, weil der Genotyp dieses isolierten Restbestandes nicht durch fremdes Genmaterial verfälscht werden sollte. Mehrere genetische Untersuchungen unterstützen unsere Auffassung( PITRA et al. 1996, 2007).
Im Frühjahr 2001 erhielt der Förderverein Einblick in einen Entwurf des Teilregionalplanes" Windenergienutzung der Region Havelland- Fläming". In diesem Planungsentwurf lag das Eignungsgebiet 4 auf