114 Otis 29(2022) am 05.06.2021 gegen 6.25 Uhr am Bahnwall der ICE-Strecke Berlin – Hannover ca. 2,5 km westlich von Buschow einen zunächst unbekannten spötter- oder rohrsängerartigen Gesang. Dieser klang wenig akzentuiert, relativ schnell und fortlaufend schwatzend und war deutlich verschieden von den Gesängen aller heimischen Rohrsängerarten und des Gelbspötters. Der Vogel konnte in der Vegetation zwar nicht entdeckt werden, aber erste Stimmenaufnahmen mit dem Smartphone gelangen. Da die Kartierungen fortgesetzt werden mussten, es aber sehr wahrscheinlich war, dass der Gesang nicht von einer üblicherweise in Brandenburg vorkommenden Art stammte, wurde M. H. verständigt. Dieser fand den Vogel um 10.30 Uhr an derselben Stelle wieder und konnte einen gelben Spötter beobachten, so dass von einem Orpheusspötter ausgegangen werden musste, da ein Gelbspötter anhand des Gesanges ausgeschlossen werden konnte. Um 11.00 Uhr traf S. F. wieder am Beobachtungsort ein, so dass der Vogel bis ca. 12.00 Uhr von beiden Beobachtern ausgiebig beobachtet und fotografiert werden konnte sowie weitere Ton- und Videoaufnahmen angefertigt wurden. Ein Fangversuch blieb trotz heftiger Reaktion des Vogels auf Gesangssequenzen des Orpheusspötters aus www. xeno-canto.org erfolglos. Folgende Merkmale konnten notiert werden(Abb. 1 und 2): - klassischer Spötterhabitus mit steilem Kopfprofil und gerade endendem Schwanz - Oberseite grau-grün, Unterseite gelblich(dabei keine offensichtlichen Färbungsunterschiede zum Gelbspötter auffallend) - Handschwingenprojektion kurz(Flügelspitze deutlich kürzer als der sichtbare Teil der Schirmfedern; Abb. 2) - kaum aufgehelltes Flügelfeld - Beine grau-braun - Unterschnabel gelblich, Schnabelinneres kräftig orange. Der Gesang war deutlich verschieden von dem des Gelbspötters und wies insbesondere nicht die für diese Art typisch scharfen, quietschenden Elemente auf, war nicht strophig gegliedert, sondern recht kontinuierlich und deutlich schneller als der des Gelbspötters. Er erinnerte etwas an den einer Gartengrasmücke Sylvia borin (Abb. 3). Die Kombination der Merkmale„gelber Spötter mit kurzer Flügelprojektion und nicht gelbspöttertypischem Gesang“ bestätigt die Artdiagnose Orpheusspötter. Die intensiv gelbliche Färbung schließt alle anderen eurasischen Spötter außer Orpheusund Gelbspötter aus, Gesang und Flügelprojektion schließen den Gelbspötter aus. Untermauert wird die Artdiagnose durch die starke Reaktion des Vogels mit intensiviertem Gesang und Annäherung auf den Gesang eines Orpheusspötters aus www.xeno-canto.org. Der Vogel hielt sich während der gesamten Beobachtungszeit am südexponierten Hang des zum Schutz der Großtrappen Otis tarda errichteten Walls an der ICE-Strecke Berlin – Hannover auf. Der Bereich ist spärlich von einzelnen, eher niedrigwüchsigen Bäumen,vor allem Robinien,und Buschgruppen bewachsen(Abb. 4). Aus Gründen des Gebietsschutzes wurde die Beobachtung zunächst nicht intensiver verfolgt und verbreitet, um Störungen durch sonst ggf. anreisende Beobachter zu vermeiden. Eine Nachkontrolle am 19.06.2021(S.F.) am Beobachtungsort blieb erfolglos. Die Beobachtung wurde durch die Avifaunistische Kommission für Brandenburg und Berlin anerkannt(R. Beschow, pers. Mitt.). 3 Diskussion Obwohl der Orpheusspötter sein Areal in den letzten Jahren insbesondere in Deutschland deutlich nach Norden und Nordosten ausgeweitet hat und mittlerweile in fünf Bundesländern als Brutvogel vorkommt( E ngler et al. 2016, G edeon et al. 2014), blieben Beobachtungen in den ostdeutschen Bundesländern bislang nach wie vor selten(Tab. 1, Abb. 5). Bis einschließlich 2021 liegen nur sechs anerkannte Nachweise vor, allein drei davon aus MecklenburgVorpommern, vier gelangen durch Fang(Tab. 1).Alle Nachweise erfolgten in einem sehr engen Zeitfenster von gerade einmal 15 Tagen vom 24. Mai bis zum 7. Juni und fallen damit in das Ende der Heimzugphase( G lutz von B lotzheim & B auer 1991). Es dürfte sich also bei allen Vögeln um über ihr Brutgebiet „hinausgeschossene“ Individuen handeln. Längerer Aufenthalt konnte bei keinem Vogel nachgewiesen
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(2022) 29
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