Heft 
(2023) 30. Sonderheft
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Kalbe und Mädlow: Zur Geschichte der brandenburgischen Ornithologie

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Brandenburgs Verantwortung für den Vogelschutz

Brandenburg besitzt ähnlich den Ländern Nieder­ sachsen und vielleicht auch Schleswig- Holstein das Potenzial, naturnahe Feuchtlebensräume zu erhalten oder neu zu installieren. Durch die jahr­zehntelang praktizierte Entwässerung der großen Niedermoore im Rahmen der Komplexmeliorati­on vor allem in der DDR und Kanalisierung fast aller Fließgewässer erfolgte die Degradierung und Schrumpfung der Moorkörper, teilweise um bis zu einem Meter. Nach Ausfall der Schöpfwerke nach 1990 überstauten größere Areale temporär oder sogar permanent. Damit im Zusammenhang steht die Wiederbesiedlung durch wiesenbrütende Ar­ten. Beispiele dafür sind die großen Wiedervernäs­sungsflächen im Pareyer Luch, im Oberspreewald und in der Nuthe - Nieplitz- Niederung. Das Poten­zial zur Wiedervernässung ist jedoch bei Weitem nicht ausgeschöpft. Von besonderer Bedeutung erscheint in diesem Zusammenhang die Schaffung von Überflutungsflächen in den großen Luchge­bieten von Rhin und Havelländischem Hauptka­nal. Voraussetzung dafür wäre die Rückhaltung des Wassers in der Landschaft, vermutlich ohne größere hydrologische Probleme, weil vorhandene Staueinrichtungen den Durchflussüberschuss im Winter und Frühjahr speichern könnten. Das wie­derum würde dann zu Niedrigwasserzeiten eine Erhöhung des ökologisch notwendigen Kleinstab­flusses bedeuten und generell eine Verbesserung des Landschaftswasserhaushaltes bewirken!

Nach GIERK& KALBE( 2001) konnte in der Nuthe - Nieplitz- Niederung durch Zurückhaltung in den neu entstandenen permanenten Flachge­wässern der Niedrigwasserabfluss( NQ) im Pfef­ferflieẞ um 1/3, für die Gesamtfläche von 52,4 km² um 0,25/ s erhöht werden. Eine Hochrechnung für ganz Brandenburg bei vorsichtiger Wertung einer potenziellen Vernässungsfläche von 420 km² ergibt eine Erhöhung des Abflusses bei Niedrig­

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wasser um ca. 2/ s. Auch wenn mit der Wieder­vernässung degradierter Niedermoore sich nicht sofort Vergrößerungen der Bestände gefährdeter Arten ergeben werden, könnten bestimmte wie­senbrütende Arten wie Rotschenkel, Kiebitz, Be­kassine, Gründelenten, Wiesenpieper, Schafstelze, Braunkehlchen, Feldschwirl und Schilfrohrsänger davon profitieren.

Ein zweites ökologisch bedeutsames Potenzial für den Vogelschutz ergab die Auflassung unter anderem der großen Truppenübungsplätze Jü­ terbog , Lieberose , Döberitzer Heide, Wittstocker Heide und Tangersdorfer Heide( BEUTLER 1992, BEUTLER in ABBO 2001) mit 390 km² Sandheiden. Hier haben sich die letzten großen und stabilen Bestände einiger im Bestand bedrohten Vogelar­ten erhalten: Raufußkauz, Ziegenmelker, Wiede­hopf, Waldschnepfe, Raubwürger, Heidelerche, auch Restbestände des Brachpiepers. Erforderlich ist das Management der Offenflächen, die sonst allmählich in Vorwälder und Wälder übergehen würden. Unabhängig davon existieren für eini­ge dieser Flächen Wildniskonzepte, die Eingriffe nicht zulassen.

Ein weiteres Spezifikum Brandenburgs stellt die Bergbaufolgelandschaft dar, weil sie auf Grund der geologischen Besonderheiten im südbran­denburgischen und ostsächsischen Revier mit extrem sauren Restgewässern und Haldenböden in Deutschland einzigartig sind. Die Entwicklung dieses extremen Lebensraumes zu verfolgen, stellt eine wichtige Aufgabe auch im Hinblick auf die Vogelwelt dar. Viele Bereiche gelten für höhere Organismen allerdings zunächst als lebensfeind­lich, aber einige besondere Vogelarten wie Fluss­uferläufer, Flussregenpfeifer, Brachpieper und Steinschmätzer finden hier ausreichende Brutbe­dingungen.

5.1 Ausgestorbene, vom Aussterben bedrohte und gefährdete Arten

Vor allem wegen der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts extremen Veränderungen in der Landschaftsstruktur mit weitreichender Tro­ckenlegung von Niedermooren im Rhinluch, im Havelländischen Luch, in den Belziger Land­

schaftswiesen, in den Malxewiesen u. a., der Inten­sivierung der Landwirtschaft, der Eutrophierung zahlreicher Seen und den Eindeichungen an der Unteren Havel verschlechterten sich die Lebens­bedingungen einiger Vogelarten. In deren Folge