Ich habe nichts gegen all dergleichen, ich will es sogar hochstellen, aber es muß echt sein. So wie es Mode wird, wird es furchtbar.
Und an dieser Mode, zu der Ihr Papa nicht taugte, ist er zu Grunde gegangen.!«]
Storch v. Adebar 61
Die hier einliegenden 5 Bogen enthalten den ganzen Lauf der Novelle von dem Höhenpunkte an, wo’s anfängt schief zu gehn und sich der Tod der Frau v. St. vorbereitet.
Die Vorführung der ersten Hälfte der Novelle ist leicht. 1. Die Trauung. 2. Landrat Baron Attinghaus’ Heimfahrt. 3. Intimes Gespräch von Storch und Störchin. 4. Der Pastor. 5. Die Stiftungs- und Gründungspläne. 6. Die Hoffnungen auf den Hof. 7. Der jüngste Sohn (vor seiner Verlobung) 8. Die kühle Haltung der andern verheirateten Töchter, Gomeril u. Regan, die nur Geld brauchen. 9. Erste Verlegenheiten. 10. Rücktritt des Königs; Umschwung. 11. Der Sohn verlobt sich. 12. Entsetzen.
Gespräch zwischen Attinghaus und Rudenz
Sie ist herrschsüchtig. Mit dem guten Storch hat sie begonnen. Aber das war ein zu leichter Sieg und sic sehnt sich nach Machterweiterung. Man kann sagen, sie beherrscht unsren ganzen Kreis, selbst die, die widerstreben, sind ihr in gewissem Sinne gesellschaftlich untertan. Es ist die älteste Familie im Kreis, das ist eins, und wenn auch nicht die bemitteltste, so doch die gastlichste, die einzige die ein Haus macht. Alle sind neu im Kreis wie Sie, Rudenz. Ich bin länger hier, aber Gar^on und so verbietet sich ein Haus. So kommt es, daß sie den Kreis unterwarf. Das ganze Pastorentum hängt an ihren Lippen. Aber auch das genügt ihr nicht; sie will darüber hinaus und hat sich so etwas in den Kopf gesetzt, etwa wie Frau v. Krüdener oder wie Frau v. Humboldt oder wie Christine Munk oder Lady .. . (unter Georg I. oder II.) oder die gute Nymphe Egeria zu sein. Sie will regieren und wie manche beständig nach Betätigung 1,2 ihrer Liebe sucht, sucht sie nach Betätigung ihres Ehrgeizes u. ihrer Herrschsucht.
Und Storch?
Er muß mit. Er wird nicht gefragt.
Storch ist eigentlich Numismatiker und Schaf Züchter.
Attinghaus spricht darüber. »Ich hab’ ihn noch in seinen jungen Jahren gekannt, als er bloß Numismatiker 63 war. Er war eigentlich ein reizender Kerl, ein Mensch wie ein Kind. Über jeden neuen Denar oder Schilling geriet er in Freude. Als dann die Trebiatinski kam, mußt er’s halb aufgeben oder doch sich teilen. »Es passe sich nicht« und er wurde Schaf-Mensch. Negretti oder Rambouillet und die Gnädige war damit einverstanden. Sie fand es standesgemäß und es war vorteilhaft welches letztre die Hauptsache war, denn sie ist sehr für’s Vorwärtskommen. Storch soll damals einmal als »Wollkönig« erklärt worden sein, was ihr damals Freude machte, woran sie jetzt aber Anstand nimmt, weil man das Heilige nicht hcrabziehen dürfe. Sie perhorrcsziert beispielsweise auch das Wort »Schiffstaufe«. Aber »Wollkönig« ist schlimmer, denn im ganzen genommen ist ihr die irdische Majestät doch wichtiger. Ja, so war unser Storch. Und was ist nun draus geworden. Bis 48 ging es, aber als nun die Böcke und Schafe geschieden wurden, da mußt er ganz auf die letzte Seite treten und der Storch entstand, den Sie sehn: ein Confusionarius. Eigentlich ist er nichts als ein guter Kerl, mit einer natürlichen Hinneigung zu einem Spaß oder selbst einer Tollheit, ein
61 Seitenbeginn; darüber eingcrahmter Bleistiftvermerk: Dies muß ich vorm Schreiben durchlesen.
62 Aus : einem Opfer
63 Darüber: Münzensammler
57