schoben haben. Selbst das moderne Heidentum muß seine Priester haben, selbst die den alten Glauben verloren, verlangen nach irgend einem Schema von Gedanken, nach irgend welchen Idealen, so töricht und ausschweifend sie sein mögen, um die Leere auszufüllen. Für diese verlorenen Seelen ist Hartmann ein Missionar. Er gibt der skeptischen Ruhelosigkeit Zusammenhang und kleidet den Nihilismus in eine halbwissenschaftliche Form, die für etwas einer Religion ähnliches gilt. Aber so erklärlich die Verbreitung des Pessimismus ist, so traurig ist sie für Deutschland. Er ist nur eine vertiefte Erscheinung des materialistischen Geistes, der als Reaktion gegen die früheren spekulativen Ausschweifungen und die in den Staub gesunkenen Ideale sich geltend macht. Der Pessimismus ist nur der Versuch, eine metaphysische Grundlage für den modernen Materialismus zu finden. Aber müssen wir fragen, ist dies das Deutschland, das wir vor 40-50 Jahren in den Tagen seines geistigen Ruhmes liebten und verehrten? Sind dies die Abkömmlinge der langen Reihe erleuchteter Denker von Luther bis Kant und Schelling? Dies die Landsleute Goethes, Schillers, Jean Pauls und Novalis? Mit einer in gottlosen Materialismus versunkenen Philosophie, einer Literatur, in der sich Blasphemie und Zügellosigkeit breit machen, mit der Ausbreitung falscher Grundsätze im Volke kann weder Waffengewalt noch vermehrter Unterricht die Gefahren abwenden, welche den ganzen Bau der Gesellschaft bedrohen. Die Annahme der wilden Theorien Schopenhauers und Hartmanns in Deutschland ist ein erschreckendes Zeichen der Zeit, denn wir können nicht glauben, daß eine Nation viel von diesem Gift trinken und fortfahren kann zu leben. Der französischen Revolution ging eine pomphafte Verkündigung der Vcrvollkommnungsfähigkeit der Menschheit voran: soll Deutschland zerrüttet werden durch den peinlichen Traum der Vernichtung und der Verleugnung von allem, was das menschliche Leben würdig macht?«
Soweit der Kritiker einer liberalen englischen Zeitschrift; sollte unser Liberalismus sich dies nicht recht zu Herzen nehmen und einsehen, wohin eine von Gott losgelöste Philosophie treiben muß?
[Über diesem Ausschnitt handschriftlicher Vermerk: »Storch v. Adebar oder Eleonore«.]
Die gothaischen Geistlichen und die Gottheit Christi Einem Berichte der Protestantischen Kirchen-Zeitung aus Gotha entnehmen wir folgendes: »Am Mittwoch, den 29. Oktober, fand in der Aula des Ernestinums die allgemeine Konferenz der Geistlichen des Herzogtums Gotha statt. Dieselbe war gut besucht und beschäftigte sich mit der wichtigen Frage über die Gottheit Christi. Hofdiakonus Dr. A. Rebattu begründete in ausführlicher und schwungvoller Rede die folgenden sechs Thesen, denen mit wenigen Ausnahmen die ganze Versammlung von etwa 50-60 Geistlichen im allgemeinen beistimmte.
1. Die (sc. altkirchliche. Zusatz des Berichterstatters) Lehre von der Gottheit Christi ist der dogmatische Ausdruck für die dem christlichen Glauben zugrunde liegende Idee der Offenbarung Gottes durch Christum. - 2. Den historischen Ausgangspunkt dafür bildet die alttestamentliche Messiasvorstellung, die Christus auf sich bezog und unter Beibehaltung der amtlichen Bezeichnung als »Menschen- und Gottessohn« zu der Gewißheit in sich umbildete, daß er von Gott zur Errichtung des rein geistigen Gottesreiches berufen sei. - 3. Nach Christi Selbstbewußtsein und dem Glauben seiner Jünger, sowie nach den Zeugnissen der frühesten und bestverbürgten neutestamentlichen Schriften beruht Christi Verhältnis zu Gott auf rein religiös-sittlicher Grundlage. - 4. Erst in den nachpaulinischen Briefen und im Hebräerbrief angebahnt, vollständig aber in der Logoslehre des Johannisevangeliums enthalten, ist die metaphysische Auffassung von Christi Sohnschaftsverhältnis zu Gott durch die widerspruchsvollsten Beschlüsse der Konzilien symbolisch festgestellt, durch den Machtspruch weltlicher Herrscher zu bindender Kraft erhoben und als Grundlage der Soteriologie auch in die protestantischen Bekenntnisse aufgenommen. — 5. Diese Lehre steht aber mit der Absolutheit Gottes, mit der sittlichen Hoheit Christi, wie mit dem menschlichen Denken im schneidendsten Widerspruch. Sie gereicht daher vielen ernsten und frommen Christen zu argem AnstoßO?) und schädigt den Glauben an Christum,