interessanten Einblick in die Arbeits- und Kürzungstechnik des Memoirenschreibers und läßt Rückschlüsse zu auf das, was als besonders eindrucksvoll in der Erinnerung haften geblieben, aber nicht der Veröffentlichung preisgegeben worden ist. Überdies findet sich hier das einzige Geständnis des alten Fontane, daß er in seiner Herwegh-Zeit im Kameradenkreise „in der Zahl und Regelmäßigkeit der Forderung nach Freiheit.. . obenan" gestanden habe. Fontane hat den „Herwegh-Klub" seiner eigenen, weiter unten zitierten Aussage nach um der Analogie zu dem zuvor beschriebenen Lenau- bzw. Platen-Klub mit dem Namen des Freiheitsliedersängers gekennzeichnet und damit die allgemeine Stimmung treffend charakterisiert. Vielleicht geschah es aber zugleich lm Bewußtsein des verhüllenden Effekts einer solchen unverbindlichen Namensgebung, ist doch dieser Klub in seiner realen Existenz bislang nicht erklärt worden. Unsere auf Nachforschungen in den Staats-, Universitäts- und Stadtarchiven Leipzig, Dresden, Halle, Merseburg, Berlin und Potsdam gestützten Ermittlungen über die Mitglieder und Gönner des „Herwegh-Klubs", deren Vormärz-Tätigkeit weiter unten und im Kommentarteil zur Beweisführung näher skizziert wird, erlauben ungeachtet der Notwendigkeit eines tieferen Eindringens in Fontanes Jugenderlebnis nunmehr den Schluß, daß dieser von ihm selbst in verdeckendem Kontext in „Von Zwanzig bis Dreißig" mit leiser Ironie als „Geheimbund" angedeutete Klub Teil einer illegalen burschenschaft- lichen Studenten-Verbindung war. 7 Mit Ausnahme von Wolfsohn und Cruciger, den ersterer einen „Ultra-Radikalen" nannte, waren alle bei Fontane Auftretenden in die weitreichenden polizeilichen und universitätsgerichtlichen Untersuchungen über burschenschaftliche Umtriebe an deutschen Universitäten 1841/42 verwickelt, und auch Fontanes Name ist hier neben Max Müllers aktenkundig geworden (vgl. S. 154). Müller, kein wirkliches Mitglied der Burschenschaft, sondern ein sogenannter Mitkneipant, beschrieb diese Verbindung als einen „studentischen Klub, der zur Burschenschaft gehörte, der sich aber, um vor Verfolgung sicher zu sein, eine .Gemeinschaft' nannte". Er erinnerte sich etlicher stürmischer Geister, „welche ihrem Unwillen Luft machten über die engherzige Politik, ... Metternichs Mache", und die „zum Verwegensten bereit waren,
• •. herrliche Burschen, aber sie haben ihr Leben teils hinter den Gefängsnis- mauem zugebracht, teils haben sie alles über Bord geworfen und sind nach Amerika ausgewandert". 8 Einer aus dem Kreise der in Fontanes Erinnerungen im selben Zusammenhang wie bei Max Müller Genannten, der schon für seine revolutionäre Tätigkeit in den dreißiger Jahren 40 Monate hinter Arnstädter, Berliner und Magdeburger Gefängnis- und Festungsmauern zugebracht hatte, für seine Beteiligung an den Ereignissen der vierziger Jahre gar ein volles Jahrzehnt im Zuchthaus zu Waldheim büßte, war der Buchhändler und Verlier Robert Binder. Sein schier endloses, durch den kommunikativen Beruf •begünstigtes" Strafregister, das in verstaubten Akten sächsischer Archive dem forschenden Interesse der Nachwelt harrt, beginnt mit demagogischen Umtrieben und Staatsgefährdung durch Verbreitung verbotener Schriften im Zusammenhang mit dem Frankfurter Wachensturm (3. April 1833), setzt sich mit Beziehungen zu polnischen Emigranten und Preßvergehen seiner Druckerzeugnisse (u. a. auch der „Eisenbahn") fort und endet schließlich konsequent mit Teilnahme am Maiaufstand 1849 und Hochverrat. Der Druck von Friedrich Engels Er sdingsschrift „Schelling und die Offenbarung" 1842 in Binders Verlag war
157