habe, /denn eine schwere Krankheit überfiel ihn bald nach seinem Erscheinen. Was auch wohl zutraf, nur daß das Ganze mehr als ein kluger Schritt wie als Wunder gelten konnte' In Wahrheit aber war es gar kein Wunder, sondern ein aus richtiger Erkenntnis getaner, sehr kluger Schritt. So verwöhnt er war, so bis zum Komischen hin ästhetisierend — etwa wie Hedda Gabler mit ihrem »im Banne der Schönheit' 11 ’ — so verständig war er auch und erkannte richtig, welchen Schatz er in diesem Mädchen gefunden habe. Das Leben hat es ihm später bestätigt, denn diese Leipziger Tischlertochter wurde sein guter Engel bis an sein Ende.
Wolfsohn hatte damals schon allerhand ediert, unter andern ein Taschenbuch, das glaub ich Iduna hieß 17 und unglaublich aber wahr, eine Art christlichjüdische Religions-Union anstrebte. Jedenfalls entsprach das seinem Wesen. Ausgleich, Umkleidung, nur keine scharfen Kanten und Ecken. In unseren Klub-Sitzungen, denen er meist präsidierte, trat er nicht sonderlich hervor; natürlich war er für »Freiheit' wie wir alle (wie hätten wir auch sonst der Herwegh-Klub sein können), aber in der Zahl und Regelmäßigkeit der Forderung nach Freiheit, in der ich, glaub ich, obenan stand, blieb er weit zurück. Er hielt Maß darin wie in allem. Ein Teil seines Übergewichts mochte damit, diesem Maßhalten, Zusammenhängen, denn wir waren nicht so dumm, daß wir nicht mitunter selber ein Fragezeichen hinter unser Tun gesetzt hätten 'dumm genug, um nicht gelegentlich selber ein Fragezeichen hinter unser Tun zu setzen/selber Zweifel an unserem Tun zu hegen . Sein eigentliches Übergewicht lag in seinen feinen Manieren und in seinem glänzenden Zuhausesein in allem Belletristischen. /Die Gesamtbelletristik dreier Nationen, der Deutschen, Franzosen und Russen Seine Domäne war die Gesamtbelletristik der Deutschen, Franzosen und Russen. Letzteres' Rußland, wenn er uns Vortrag hielt, stand mir allemal obenan, weil ich mir sehr richtig sagte 'wobei die richtige Vorstellung mitspielte, das laß dir nicht entgehen' wobei ich mir sagte : „das nimm mit; Du kannst hundert Jahre warten, ehe Dir russische Literatur wieder so auf dem Präsentierbrett entgegengebracht wird.' Ich ging in meinem Feuereifer so weit, daß ich sogar /anfing russisch zu' russisch lernen wollte. Doch schon in der zweiten Unterrichtsstunde /hieß es' war seine Geduld erschöpft und er sagte mir: /wir wollen es wieder aufgeben' »gib's nur wieder auf. Du lernst es doch nicht." So ist es mir mit einem halben Dutzend Sprachen gegangen: italienisch, dänisch, vlämisch, wendisch; immer wenn ich mir ein Lexikon und eine Grammatik gekauft hatte, war es wieder vorbei. Was ich beklage. Denn es ist unglaublich, wie viel Vorteile man von jedem kleinsten Wissenspartikelchen hat, ganz besonders auch aber auf diesem Gebiet.
Also mit der russischen Sprache war es nichts, aber/ in Bezug auf russische Literatur jedoch ließ ich /'ihn/ nicht , locker/ wieder los und von Dershawin an, über Karamsin und Shukowski fort, zogen die damals noch lebenden oder doch erst jüngst gestorbenen Dichter: Puschkin, Lermontoff, Pawloff, Gogel an mir vorüber. Ein ganz Teil /davon/ von dem, was mir Wolfsohn damals vortrug, ist sitzengeblieben, am meisten von den drei letztgenannten (Lermontoff war mein besondrer Liebling) ■ , aber auch wenn es weniger wäre/ und jedenfalls, so sehr /das Ganze/ alles nur ein Kosthäppchen /wurde' war, so bin
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