Heft 
(1970) 11
Seite
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Um eben diese Zeit war es auch, daß sich Wolfsohn mit der jungen Dame verheiratete, deren ich eingangs schon erwähnte. Diese Verheiratung war mit Schwierigkeiten verknüpft, weil standesamtliche Trauungen noch nicht existier­ten und Eheschließungen zwischen Juden und Christen, die eine Zeitlang statt­haft gewesen waren, mit Eintritt der .Reaktion" wieder auf kirchliche Hemm­nisse stießen. Immer wenn /Wolfsohn und Braut/ unser Brautpaar aufs neue Schritte zur Trauung in diesem oder jenem kleinen Herzogtum versuchte, traf es sich, daß dieses Herzogtum die Tür zumachte /daß in dem Kleinstaat, bei dem man eben anpochte, gerade der freiheitliche Gesetzesparagraph auf­gehoben, also sozusagen die Tür vor dem Brautpaar verschlossen war/. Ein Kleinstaat nach dem andern fiel ab und um die Zeit/ Anfang der 50er Jahre gab es in Deutschland nur nocheine Säule, die von verschwundener Pracht zeugte". Diese eine Säule hieß Dessau. Aber /auch hier hieß es sich eilen/ auch in Dessau sollte mit Beginn des neuen Jahres der Freiheitsparagraph wieder fallen und so hieß es denn sich eilen. Noch kurz vor Toresschluß erfolgte die Trauung und, aus einer gewissen Dankbarkeit, so nehme ich an, blieb man in Dessau. 23 Doch nicht auf lange. Dessau war kein Platz, der für Wolfsohn und seine durchaus auf Großstadt und Weltverkehr gestellten Allüren gepaßt hätte und so ging übersiedelte er 1853 nach Dresden zurück , wohin er recht eigentlich gehörte. Feine Sitte, Hoftheater und /höfische Sitte/ schrift­stellerisches und künstlerisches Leben, vor allem internationaler Verkehr - das war /die Welt, die' das, was für ihn paßte /worin er Befriedigung fand, und diese /'neuen/ Dresdner Jahre wurden denn auch seine glücklichsten; er lebte hier ganz seinen Arbeiten, , unter denen jetzt die dramatischen obenan standen vor allem den wieder aufgenommenen dramatischen und gründete dieNordische Revue", die bis zu seinem frühen Hinscheiden 1865 in gutem Ansehen stand. Er war kaum 45 Jahre alt geworden. Einer seiner Söhne (Pseudonym: Wilhelm Wolters) hat des Vaters Laufbahn eingeschlagen und ist ein guter Novellist.

Kommentar

1 Karl Hermann Schauenburg (18191876) war an der Leipziger Universität von Oktober 1840 bis 17. Februar 1842 als Student der Medizin einge­tragen. Er war Fechtwart derLeipziger Burschenschaft", aus der er seiner eigenen Aussage nach im November 1841 austrat, um dieAllgemeinheit" aus­zubauen. Ab Februar 1842 studierte er in Berlin und promovierte hier in> August 1843. Er wurde Mitinitiator und Vorsitzender des Berliner studen­tischenLesevereins"; seine Inhaftierung Anfang April 1843 erfolgte jedoch aufgrund seiner bei Hermann Kriege in München gefundenen Briefe. Laut Senatsbeschluf) vom 17. Mai 1843 wurden die sieben Wochen strenget Karzerhaft, die er während der Untersuchung erlitten hatte, als Strafe f seine Teilnahme an der verbotenen Leipziger Burschenschaft angerechnet: demLeseverein" konnten strafbare Handlungen nicht nachgewiesen wer­den (Archiv der Humboldt-Universität zu Berlin: Universitätsrat Nr. 2).

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