HANS-MARTIN SCHORNECK (Hetjershausen)
Fontane und die französische Sprache
In zahlreichen Arbeiten, die sich mit dem ein zweites Mal in den Blickpunkt wissenschaftlichen Interesses gerückten Dichter Theodor Fontane beschäftigen, tritt auch das vielschichtige Problem seiner Beziehungen zu den Franzosen, das in der Fontane-Forschung seit jeher eine große Rolle gespielt hat, noch einmal in den Vordergrund. Allerdings meist derart, daß nur ein Teil des Begriffsinhalts »Franzosen" beachtet wird, nämlich der zur literaturwissenschaftlichen Terminologie gehörende, der »Dichter und Schriftsteller" des west liehen Nachbarlandes bezeichnet. Bei Fontane genügt es aber nicht, will man seinen Beziehungen zu den »Franzosen" schlechthin von Grund auf nachgehen, etwa nur den zur literarischen Fachsprache zählenden Ausschnitt des Begriffsganzen mit ihm in Beziehung zu setzen. Zwei wichtige Gründe stehen dem entgegen: Einmal die hugenottische Herkunft eines Teils der Ahnen Fontanes, womit schon eine Relation zur Totalität der französischen Nation hergestellt ist, und zum anderen die enge Berührung des Historikers Fontane mit dem Frankreich seiner Zeit — ein Kontakt, der sich außerhalb der literarischen Ebene vollzieht. In dieser Hinsicht gewinnt auch die schon oft am Rande eruierte Frage nach den französischen Sprachkenntnissen Fontanes eine größere Bedeutung, zumal er in seinen biographischen Schriften diese und jene Bemerkung fallen läßt, die immerhin die Vermutung nahelegen, daß die französische Sprache einen Teil zu seinem Weltverständnis beigetragen hat. Bei der Untersuchung der französischen Sprachkenntnisse Fontanes, soweit sich diese überhaupt noch verifizieren lassen, sind wir auf Äußerungen des Dichters und auf Hinweise der Biographen angewiesen, die teilweise noch mit ihm, mit Familienangehörigen oder Personen aus seinem Bekanntenkreis in Berührung gekommen sind.
Erstaunlicherweise lauten die allgemein gehaltenen Urteile meist negativ. Heinrich Spiero spricht von einem „schlechten Französisch" 1 . Heilborn nennt es im Zusammenhang mit den Briefen aus der Kriegsgefangenschaft „scheußlich"-, und Aegerter kommt in seiner Dissertation zur Feststellung, Fontanes Kenntnisse der französischen Sprache seien »höchst mangelhaft" :l gewesen.
Ähnliches erfährt man aus einer persönlichen Mitteilung Paul Schlenthers, die Amann als Anmerkung wiedergibt: „Fontane (sah) öfter Gastspiele französischer Ensembles; doch konnte er, durch mangelnde Sprachfertigkeit gehemmt, ihrem Spiele nicht völlig folgen .. Und schließlich meinen die Worte des französischen Literaturhistorikers Jean Dresch auch nicht viel Günstigeres, wenn man die sprichtwörtliche französische Politesse berücksichtigt: »Pour lui (Fontane; Zufügung d. Verf.), il ne l'a jamais su avec une bien grandc correction" 3 .
Können diese Beurteilungen auch dann noch akzeptiert werden, wenn man sich vergegenwärtigt, daß einem auf Schritt und Tritt in Werken und Briefen Fontanes französische Fremdwörter, Proverbes oder Zitate und ganze Dialoge begegnen?
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