Daß nach Elternhaus und Schule eine spürbare Bereicherung der französischen Sprachkenntnisse Fontanes durch Einflu5 der Berliner Kolonie erfolgt sein könnte, dafür finden sich keinerlei Anhaltspunkte, und es ist auch unwahrscheinlich. Eine diesbezügliche Feststellung Amanns dürfte nicht ganz zutreffen, auch wenn sie sich vornehmlich auf den zweiten Lebensabschnitt beziehen sollte 111 .
Aus der Familie Fontanes ist bekannt, dafj in der Generation nach den Großeltern das Französische auch für den Hausgebrauch aufgegeben worden ist. Der Dichter dehnt diese persönliche Erfahrung als für die ganze Kolonie gültig aus und kommt in dem oben zitierten Essay über die Mark und ihre märkischen Kriegsobersten darauf zurück 20 . Bainville bestätigt das: „L'usage du frangais s'est completement perdu parmi les membres de la Colonie de Berlin" 21 . „Jusqu'ä la fin du XVIIIe siede, les refugies avaient garde l'usage de la languc de leurs peres" 22 .
Eine Diplomaten-Familie indessen, mit der Fontane in freundschaftlichem Verkehr steht, pflegt die französische Sprache und Kultur auf einem höheren als allgemein üblich zu bezeichnenden Niveau: die Familie von Wangenheim. Vor allem Frau von Wangenheim hat zahlreiche persönliche Verbindungen zum Nachbarland, die sich während der Gefangenschaft Fontanes segensreich auswirken.
Die Aufenthalte in Frankreich, ein tiefer Lebenseinschnitt, reaktivieren und bereichern auch die französischen Sprachkenntnisse Fontanes in beachtlicher Weise. Über die erste Woche in Paris, im Oktober 1856, die ihm ein glücklicher Umstand auf der Reise nach London beschert, schreibt er ausführlich an seinen Vater und an seine Frau. Bemerkenswert und vielsagend zugleich ist ein Wunsch aus dem Brief an letztere vom 16.10.1856: „Wenn ich . . . gut französisch spräche — ei, da möchte das ein kostbares Leben sein ... Ich gehe erst wieder hierher, wenn ich genug französisch weiß, um an dem geistigen Leben und Treiben einigermaßen teilnehmen zu können"- 1 .
Vierzehn Jahre später, ganz auf sich allein gestellt, in der bedrückenden Situation, als Spion verhaftet zu sein, wachsen ihm dann doch Sprachkräftc aus den Tiefen des Bewußtseins zu, und es gelingt ihm, zusammenhängendes Französisch zu schreiben. Er sagt selber darüber: „Woher mir in einer fremden Sprache, die ich stets über Gebühr vernachlässigt hatte, die Möglichkeit kam, ohne Diktionär oder sonstiges Hilfsmittel ein solches Memoire zu schreiben, weiß ich nicht. Oder sag' ich lieber: ich weiß es' 2 ''.
Während der folgenden Wochen auf der Zitadelle von Besangon bis hin zur Ile d'Oleron vor der Küste von La Rochelle ist nun der sprachliche Gebrauch des Französischen eine alltägliche Notwendigkeit. Fontane entledigt sich dieser Aufgabe mit wachsender Routine, sei es im Gespräch mit hohen Offizieren bei Verhören und in Plauderstunden, mit Geistlichen und Gefangenenwärtern, sei es mit französischen Leidensgenossen in der oft drastischen Version ihrer Sprechweisen. Auch die Lektüre ist eine tägliche Beschäftigung, angefangen bei Journalen bis hin zu den „Las-Cases-Memoiren" und zum „Autographen- album" 2j französischer Persönlichkeiten, aus dem er sich umfangreiches „Material" exzerpiert. Hindernde Sprachschwierigkeiten, wie sie Fontane früher