Heft 
(1970) 11
Seite
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in einem Brief an Lepel erwähnt hat, treten offensichtlich dabei nicht mehr auf:Eben bin ich, nach Aufgebot meiner sämtlichen französischen Vokabeln, mit der Lektüre der .Madiai's von Paris' am Rande. . ." 2e .

Ein besonderes Kapitel bilden freilich die aus der Gefangenschaft an die Seinen gerichteten, französisch abgefaßten Briefe 27 . Von der Annahme aus­gehend, daß diese besser die französische Zensur passieren könnten, bewegt er auch die Angehörigen dazu, so zu verfahren. Selbstkritisch lächelnd kleidet er sein Bemühen in die Worte:.. . und das (leider einzige!) Humoristische meiner Lage ist, daß ich mich französisch an Dich wende .. ." 28 .

Insgesamt genommen, weisen diese Briefe hauptsächlich grammatisch-stilistische Fehler auf. Deraccord de l'adjectif" fehlt oft oder ist falsch, die Wahl der Präposition entspricht nicht dem Sprachgebrauch, die Konjunktion ,que' wird an entscheidender Stelle ausgelassen, oder der Gebrauch des Genus ist ver­kehrt etc. Darüberhinaus sind auch zahlreiche Fehler in der Wortstellung als Germanismen unterlaufen. All diese Mängel fallen ins Gewicht, es ist im ganzen kein gutes Französisch 29 , das Fontane in den Briefen schreibt. Aber um zu Heilboms Prädikatscheußlich" zu kommen, muß man doch beckmesserisch mit dem Rotstift hantieren und dann addieren. Eingedenk dessen, daß eine gesprochene Fremdsprache, um dem Sprechenden als Verständigungsmedium zu dienen, einer ständigen Übung bedarf, muß in der Beurteilung der Fertig­keiten Fontanes, noch dazu im Hinblick auf die tatsächlich höchst unzureichen­den Lehr- und Lerngelegenheiten in der Jugend, größere Zurückhaltung geübt werden.

Wenige Monate später kommt Fontane auf der Osterreise durch die besetzten Gebiete Frankreichs noch einmal in sprachlichen Kontakt mit den Einwohnern des Landes. Obgleich sein Können nun beachtlich zugenommen hat und auch das Sprachverständnis in jeder Hinsicht größer ist als beim ersten Grenz­übertritt in der Kriegszeit, so daß er sich mit seiner zufälligen Reisebekannt­schaft, Friedrich Theodor Vischer, sogar über lautphysiologische Probleme des französischen Erbworts unterhalten kann- 10 , bleibt er doch in der Sprechdistanz des Touristen- 11 . An der Pforte zu Dumas fils' Villa in Le Puits bei Dieppe w agt er es aus Scheu vor einer möglichen französischen Konversation nicht, die Glocke zu ziehen. Aufschlußreich hierüber und zum Sprachproblem bei Fontane" überhaupt sind die eigenen Worte:Es ist nämlich doch ein Unter­schied, unter welchen Umständen und in welcher Veranlassung man einer Zelebrität den Zwang auferlegt, eine Art Kauderwelschansprache anhören und beantworten zu sollen. In den Tagen meiner Gefangennahme, wo es sich .. . ums Leben gehandelt hatte, hatf ich ein natürliches Recht gehabt, mich hören zu lassen, und hatte von diesem Rechte den ausgiebigsten Gebrauch gemacht; ~ man spricht dann auch, gehoben durch die Situation und unbedrückt durch das Gefühl, ein bloßer Eindringling zu sein, besser als man je gelaubt hätte, daß man es könne. Kommt aber das Pressante der Situation in Wegfall, so leidet nicht bloß die Berechtigung, so leidet auch zugleich die Fähigkeit des Sprechens, und Satzbildungen, die in einem Fall, weil aus Herz und Seele geboren, immer noch ein Interesse zu wecken imstande waren, sie werden nun - wo das innerliche Leben fehlt, zu einer bloßen Tortur .. ," M . Der schein­bare Widerspruch aus dem frischen französischen Sprechen während der Ge-

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