fangenschaft und dieser Resignation löst sich auf, sobald man eigene Urteile Fontanes über die französische Sprachfertigkeit aus verschiedenen Epochen seines Lebens gegenüberstellt. In ihnen zeigt sich die bekannte selbstkritische Einstellung des Dichters, jeweils modifiziert durch die in der Vielfalt des Daseins wechselnden Maßstäbe und Relationen.
Beim ersten Besuch in England (1844) steht er mit drei deutschen Reisegefährten nach einem Stadtbummel vor einem Restaurant, an dem angekündigt ist: „Ici on parle fran?ais!" Humorvoll kommentiert er die Situation folgendermaßen : „Wir waren unser vier und ich der beste Franzose, woraus ihr abnehmen mögt, daß eigentlich wenig Ursach zur Freude vorhanden war"™. „Mein Französisch litt Schiffbruch .. ." 31 heißt es zwar auf der zweiten Englandreise aus Brüssel, nachdem die belgischen Douaniers den Koffer inspiziert haben, doch trotzdem ergeht vier Jahre später an Emilie der aus anderer Erfahrung stammende Rat für die Überfahrt: „Erst wenn Dich niemand versteht, sprichst Du französisch, das verstehen sie alle. Und sei dreist, denn sie sprechen es alle.. . viel schlechter noch als wir' 35 .
Am 2.10.1870, noch in Freiheit, schreibt Fontane an seine Frau: „Es wird jetzt hier ein parier frangais geleistet, woneben selbst ich auf einer schwindelnden Höhe stehe. Ich bitte Dich vor allem, daß Du Wangenheims von dieser enormen Tatsache ... in Kenntnis setzt""’. Wie relativ dieses Urteil ist, zeigt ein kaum drei Wochen jüngerer Brief aus Besangon: „.. . lange Schriftstücke und Konversationen, alles in französischer Sprache — ich habe in diesen drei Wochen mehr französisch gelernt, als sonst in einem Jahr, aber die Anstrengung ist kolossal.. ." 37 .
Diese kritischen Äußerungen in eigener Sache auf einen Nenner zu bringen, wird schwerlich gelingen. Immerhin führen sie zu der Einsicht, daß Fontane das wirkliche Beherrschen einer Fremdsprache, „. . . die völlige Gewalt über dieselbe..."™ als ideales, schwer zu erreichendes Ziel respektiert hat 311 . Auch von der ökonomischen Seite her findet er es erstrebenswert: „Die volle Kenntnis einer fremden Sprache ist wie ein Kapital, von dessen Zinsen man leben kann"'’ 0 . Glücklicherweise bleibt er von der Realisierung solcher Gedanken durch sein schriftstellerisches Talent verschont. Das Idealbild von der fremdsprachlichen Fertigkeit wird ins Humoristische gewendet. Es steht Pate zum Gedicht „Was ich wollte, was ich wurde": „Sprachen sprechen, tutti quanti, Wollt ich ä la Mezzofanti'’ 1 , . .. Sprachen? An .comment vous portez-vous?' Reiht sich schüchtern ,how do you do?' ..
Festzuhalten ist, daß Fontane auf Grund dieser selbstkritischen Einstellung den zweimaligen Aufenthalt in Frankreich während der Kriegszeit bewußt ausgenutzt hat, um seine französischen Sprachkenntnissc zu heben und auszü- weiten. Das gelingt ihm in beachtlichem Maße, und mit den neu erworbenen Fähigkeiten erst ist es ihm möglich, die umfangreiche, schnell edierte französische Kriegs- und Militärliteratur, beispielsweise General Ducrots „La Journee de Sedan" 13 oder Louis Jezierskis „Combats et Batailles du Siege de Paris" 1 ' 1 zu lesen, zu sichten und in die eigene Darstellung einzuschmelzen. Mehr oder weniger umfangreiche, sprachlich nicht ungewandte Übersetzungen werden dabei häufig zur objektiven Darstellung der anderen Seite wiedergegeben. Der
176