Heft 
(1970) 11
Seite
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mit den damals vorliegenden Briefen nur mitGrete Mindc",L'Adultera" und Irrungen Wirrungen" befaßt, aber so aufschlußreiche Romane wieVor dem Sturm",Schach von Wuthenow",Cecile",Unwiederbringlich",Effi Briest" und denStechlin" außer acht läßt, anstatt sie mit ihrem gesellschaftlichen Kon­versations-Milieu zu bevorzugen. Schultz beachtet das Fremdwort schlechthin, obgleich in seiner nach Sachgruppen geordneten Übersicht der französische Anteil überwiegt. Zum anderen ist seine Methode vom Wortbestand her final auf die dichterische oder schriftstellerische Produktion gerichtet, während fol­gender kurzer Exkurs vom Wortbestand her retrospektiv auf die origo abzielt. Auf Registrierung und tabellarische Differenzierung der Einzelwörter muß da bei aus obengenannten Gründen weitgehend verzichtet werden.

Bei Durchsicht auch der von Schultz nicht beachteten Werke bestätigt sich ein von ihm beobachtetes Phänomen: die französischen Vokabeln und Sprich­wörter (proverbes und dictons) sind weit in der Überzahl. Aber es fallen auch deutliche Unterschiede des Gebrauchs ins Auge, die vom Stoff her historische und soziologische Grande haben. So fehlen in dernach einer altmärkischen Chronik aufgezeichneten"Grete Minde " 55 französische Fremdwörter fast gänz­lich, und sie sind auch in der Kriminalgeschichte aus dem Oderbruch,Unterm Birnbaum" 11 , recht schwach gesät, sofern man die mit großen Anfangsbuch­staben versehenen Substantive unberücksichtigt läßt. Bezeichnenderweise divertieren" sich in der mit plattdeutschen Brocken durchsetzten Novelle Ellernklipp"* nur die Offiziere mit französischen Floskeln 11 . Eine außer­ordentliche Anhäufung französischer Wörter weisen die Romane auf, in denen dieGesellschaft" zu Wort kommt. Die adlige führt darin unbestritten, ob sie nun in der Mark, in Berlin, Wien, Ungarn oder in Kopenhagen-Frederiksborg zu Hause ist, ob es sich dabei um die schon erwähnte Gräfin Pudagla oder die ihre Rede selbstverständlich mit französischen Einschiebseln garnierende" (s. o.) Tante Marguerite handelt.

Wenig steht jedoch das Bürgertum, in den eigens ihm gewidmeten sogenannten Berliner Romanen", darin zurück. So hat, exempli causa, der BegriffMesal­liance" inIrrungen ..." 00Stine " 01 undFrau Jenny Treibei' 0 - seinen jeweils anders nuancierten, stilistisch-funktionalen Platz.

Von vornherein erscheint es einleuchtend, daß französische Fremdwörter haupt­sächlich in den Gesprächen auftreten. Der Realist Fontane bedient sich dieses Stilmittels, um den Konversationston der Salons zu treffen und die einzelnen Charaktere von der Sprechweise her zu modifizieren. Schultz gibt in seiner Arbeit eine große Anzahl von Belegen über die typisierende Funktion des französischen Fremdworts. Zwei, einmal auf die Abstammung, dann auf die Bildung hinweisende seien hier erwähnt:. . . dem Dichter kommt es gerade darauf an, mit Hilfe des vornehmlich französischen Fremdwortes den Plauder­ton der geistreichen Genferin Melanie de Caparoux individuell zu gestalten" 0- Bei ihrem Gatten geht es darum, durch das Fremdwort. .. das Vonsichüber- zeugtsein, das Bildungsprotzentum, den Bourgeois . . . energischer auch formal zum Ausdruck zu bringen" 0 '.

Wie die Romane sind auch Fontanes Briefe eine Fundgrube für die Suche nach der bewußten Verwendung des französischen Fremdworts. Ob Fontane in seinen Briefen einenweit größeren Gebrauch " 00 davon macht, um mit Schultz

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