Heft 
(1970) 11
Seite
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zu reden, bleibe dahingestellt. Auch hier erweist es sich bei näherer Betrach­tung, daß die künstlerisch-stilistische Intention maßgebend ist, selbst wenn Angewohnheit dabei eine nicht geringzuschätzende Rolle spielen sollte. Der Causeur" kann auf diesem Feld dem so hochgeachtetentalent epistolaire" 00 die Zügel schießen lassen.

Ausgehend von den Schriften Fontanes, haben wir bis hierher skizzenhaft die Frage nach dem Zweck des französischen Fremdworts gestreift, die Schultz zur Richtschnur seiner Problematik gemacht hat. Diese ist mit dem Erkennen der funktionalen in der dichterischen Absicht von ihm gelöst worden:Zweifellos ist sich also Fontane der künstlerischen Wirkungen des Fremdwortes bewußt gewesen" 07 . Darüberhinaus erfordert unser Thema nach dem Ursprung der bei Fontane allerorts in Überzahl auftretenden französischen Fremdwörter zu fragen. Ist die französische Abstammungslinie der Vorfahren oder sind in erster Linie die erlernten Sprachkenntnisse dafür verantwortlich zu machen, oder gibt es noch andere Gründe für die klar zutage tretende Bevorzugung des französischen Fremdworts? Wie steht es überhaupt mit dem damals ge­übten Fremdwortgebrauch in Fontanes Gegenwart?

Was die familiäre Sprachtradition anbelangt, wissen wir, daß die Haussprache der Fontanes mit französischen Vokabeln reichlich durchsetzt gewesen ist und daß schon der kleine Theodor in den Swinemünder Jahren viele als festen Bestandteil in seinen Wortschatz eingefügt hat. Die Handhabung französischer Sprachkenntnisse ganz allgemein kann, wie wir oben gesehen haben, nicht als plausibler Grund für die Bevorzugung in Betracht kommen. Denn vergleichs­weise spricht Fontane Englisch weit besser, und trotzdem finden sich in Werken und Briefen viel weniger Wörter aus dieser Sprache, die Englandbücher und die Konversationen mit Mr. Nelson 08 einmal ausgenommen. Auch das Lateinische beherrscht Fontane etwa ausreichend von der Schule her 00 und später als Apotheker durchaus gut, so daß davon ein umfangreicheres Vokabularium existent geblieben sein dürfte, als es die immerhin englischen Wörter an Zahl übersteigenden Latinismen bezeugen.

Welche Ursachen kann es haben, daß die beiden letztgenannten Sprachen so zurückstehen, auch wenn man für das Lateinische einräumt, daß viele Etyma leicht das französische Erb- oder Lehnwort evozieren können? Sie sind nur auf soziologisch und historisch-kulturell bedingtem Gebiet zu suchen.

Im Dreißigährigen Krieg und im nachfolgenden Zeitalter des Sonnenkönigs kommen nicht nur die absolutistischen Feudalherren, sondern auch weite Teile des deutschen Volkes mit der französischen Kultursprache in Berührung. Es J st dies ein zweites Eindringen fremder Sprachbestandteile, wesentlich stärker noch als im Mittelalter, zumal sich damals das französische Fremdwort fast allein auf die höfischen Kreise beschränkt hat. Für Preußen und vorab für das en 9 an den Hof gebundene, hugenottisch durchsetzte Berlin beginnt mit dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts ein kontinuierlicher Einfluß des Französi­schen wirksam zu werden. Die Bemühungen Moscheroschs und der Sprach­gesellschaften, die in anderen deutschen Landen eine gegenteilige Reaktion hcrvorrufen und den französischen Einfluß mehr oder weniger neutralisieren können, bleiben vor den Toren Berlins stecken, das seinerseits kulturell- Zvilisatorisch in die Umgebung und weiter ausstrahlt.

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