Heft 
(1970) 11
Seite
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Vom Zentrum der französischen Kultureinwirkung, dem Königshaus, gehen die Impulse auf Adel und Bürgertum über. In »ihrer Kopierfreudigkeit sind diese Schichten ein fruchtbarer Boden. Welche Rolle im besonderen Friedrich II., Rheinsberg und Sanssouci dabei spielen, braucht an dieser Stelle nicht er­örtert zu werden. Als willkommene Vermittler treten die damals noch fran­zösisch sprechenden Angehörigen der Kolonie hervor, die in der Gunst des Hofes eine bevorzugte Position einnehmen und deren Stolz dadurch nicht wenig gesteigert wird. Die Großmutter des Königs ist noch in Paris erzogen worden, beim jungen Friedrich übernehmen Madame de Roucoulle als Gouvernante und Monsieur de Jaudun 71 aus der Kolonie diese Aufgabe.

Von diesen Einwirkungen schreibt Fontane:... und mit Hilfe dieser auf das Pointierte gestellten Sanssouci-Sprache war man . . . dem .Berlinischen' aber­mals um einen Schritt nähergerückt" 7 -. Nach dem Tode Friedrichs vermin­dert sich die Modellkraft des Hofs hinsichtlich französischer Sprache und Kultur, doch kaum zwei Jahrzehnte später wird der zurückgehende Einfluß durch die Soldaten der Besatzungsmacht noch einmal verstärkt.

Fontane steht in seinen jungen Jahren fest auf dem Boden desunverfälschten Berlinertums" (s. o S. 26), des wie es an anderer Stelle charakterisiert wirdzum Französieren geneigten . . .*'*. Hinzu kommt, daß er auf seinen Wanderungen mit dem Adel, dessen französische Bildungstraditionen zwar verblaßt, aber noch nicht erloschen sind, in mannigfaltige Kontakte gerät. In diesen Milieus fühlt er sich mit eigenen Sprachgewohnheiten heimisch, kann sie ergänzen und schließlich zur künstlerischen Disposition stellen, steht in der Gewißheit, die Realität getreu abzuzeichnen 14 und vor allem auch jederzeit ver­standen zu werden. Wie weit Fontane in der Verwendung des französischen Fremdworts auch noch dem Sprachgebrauch des Volkes, der Öffentlichkeit schlechthin unterworfen ist, bezeugen die zahlreichen an deutsche Schreibweise angeglichenen Vokabeln. Neben der im allgemeinen korrekten französischen Wiedergabe stößt man immer wieder auf große Anfangsbuchstaben, konso­nantische Modifikationen oder auf Substantive, die mit deutscher Endung ver­sehen sind. Ob diese Variierungen und Besonderheiten direkt auf den Ver­fasser zurückgehen oder ob sie sich als kleine Willkürlichkeiten erst beim Kopieren der Dichter-Handschriften durch die Gattin oder beim Schriftsetzer eingeschlichen haben, ist letzten Endes unerheblich. Denn mit Ausnahme von Mathilde Möhring", der Briefsammlungen und einiger kleinerer Schriften hat Fontane die Korrekturlesungen der Druckfahnen selber vorgenommen und die endgültige Edition akzeptiert. Daß auffallenderweise die Briefe in bezug auf Abänderungen anders beurteilt werden müssen und von dem oben Ge­sagten abweichen, könnte als weiterer Beweis für Fontanes künstlerisch­realistische Intention beim Einsatz des Fremdwortes inVor dem Sturm", Schach von Wuthenow" und überhaupt in den Gesellschaftsromanen angesehen werden. Eine kleine unsystematische Anthologie kann das veranschaulichen (in den Klammem die Seitenangaben):

Vor dem Sturm": Permission (15), Esprit (252), Defilee (347), Deroute (392), Ranküne (519).

Schach von Wuthenow": Erneute (276), Defilee (284), Meriten (288) Degoüt (340).

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