Heft 
(1970) 11
Seite
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Die französischen Sprachkenntnisse Fontanes, so ergibt sich aus Vorstehendem, realisieren sich überwiegend im künstlerisch bestimmten Gebrauch des franzö­sischen Fremdworts. Fontane ist mit einem relativ großen Wortschatz im Elternhaus aufgewachsen und hat diesen in dem dafür überaus günstigen Berliner Sprachklima erweitert und ausgeprägt. Eine systematische, sprach- strukturell orientierte Erlernung des Französischen dürfte in Schulanfängen steckengeblieben sein und ist erst beim täglichen Sprechen und Lesen während der Kriegsgefangenschaft teilweise wiederaufgenommen worden. Das auf Sprachfertigkeit gerichtete Streben hat auch dabei den Mangel an gramma­tischer Vorbildung nicht ausgleichen können. Trotzdem sollte wegen der evidenten Fehler in den französischen Briefen nicht ein allgemein absprechen­des Urteil abgegeben werden. Die feine Nuancierung im dichterischen Einsatz der französischen Wörter zeugt doch von einem tieferen Verständnis für den semantischen Bereich der Fremdsprache.

Auch andere Autoren des Berliner Romans haben das französische Fremdwort bevorzugt. Zum Beispiel läßt Kretzer in seinem Roman »Mut zur Sünde" 87 , der ein bürgerliches Milieu ähnlich dem der Treibeis zum Vorwurf hat, den Ehe­mann Dietrich Frobel. einen gutmütigen Kretin, im phrasenhaften Gescll- schaftston der Zeit parlieren, und auch den anderen Figuren ist das Franzö­sische im Umgang geläufig. Doch der künstlerische Effekt ist auch bei größe­rer Restriktion der Fremdwörter niemals dem in den Werken Fontanes gleich­zusetzen.

Fontane hat zweifellos zahlenmäßig die damals allgemein übliche Norm 88 im Gebrauch überschritten. Dieses Übermaß, nicht die Verwendung an sich, mag einer gewissen Familientradition zugeschrieben werden. Von Verlegern und extremen Puristen ist es dem Dichter oft angekreidet worden. Gewöhnlich hat Fontane darauf in seiner konzilianten Art reagiert: »Änderungen, Einschrän­kungen der französischen Brocken ... an nichts nehme ich Anstoß. Alles leuch­tet mir ein . . . oder ist mir, wo ich anders darüber denke (wie. .. das Franzö­sische) doch so begreiflich, daß mir ein Feilschen .. . nur kleinlich Vorkommen würde" 89 . Doch als die wiederauflebende Puristenbewegung' 10 den »Deutschen Sprachverein" gegen die weitverbreiteteUnart" mobilisiert, nimmt er ent­schiedener Stellung: »Ich weiß diesen Eifer zu würdigen, bin auch überzeugt, daß er ein Gutes gehabt hat und ferner haben wird, trotzdem kann ich ihm nur sehr bedingungsweise folgen. Ich würde das Durchdringen dieser Bestre­bungen als ein Unglück ansehen, literarisch gewiß und dadurch schließlich auch national.. ." 91 . Von hier aus ist es nur ein Schritt zur Unterzeichnung der von Erich Schmidt 1889 ins Leben gerufenen Protestaktion 92 .

Ganz spurlos jedoch sind die Bemühungen des Sprachvereins auch an Fontane nicht vorübergegangen. Am 29. 10.1891 schreibt er an Julius Rodenberg: »Ich richte es nun so ein, daß das Paket mit der Bezeichnung .postlagernd' (furcht­bares Wort, o, wie seufze ich nach all dem Fremdländischen zurück) am Montag in Fulda eintrifft..." 92 - Sollte die auffällig verminderte Zahl an französischen Fremdwörtern inEffi Briest" und imStechlin" darauf zurück­zuführen sein?

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