SONJA WÜSTEN (Berlin)
Die historischen Denkmale im Schaffen Theodor Fontanes
. in meinen ganzen Schreibereien suche ich midi mit den sogenannten Hauptsachen immer schnell abzufinden, um bei den Nebensachen liebevoll, vielleicht zu liebevoll, verweilen zu können. Große Geschichten interessieren mich in der Geschichte; sonst ist mir die Kleinste das Liebste", 1 schrieb Theodor Fontane in einem Brief des Jahres 1890.
Zu solchen Nebensachen mag man in seinem literarischen Werk wohl auch die Betrachtungen über historische Bauwerke, Gemälde, Skulpturen und historische Erinnerungsstücke alter Schlösser, Kirchen und Museen zählen, die minutiöse Beschreibung all jener Werke aus vergangenen Zeiten, für die der Begriff „Denkmale" verwendet werden darf. Obwohl nicht im Mittelpunkt seines Schaffens stehend, geben sie ihm doch ein besonderes Colorit, erhellen in seinen Erzählungen, Romanen und autobiographischen Schriften vielfältig die Geschehnisse und tragen zur Charakterisierung der Menschen und ihrer Handlungen bei. In den Beschreibungen seiner Reisen durch England, Schottland, Frankreich, vor allem aber durch die Mark Brandenburg sind sie wesentliches Glied, und auch hier der Aufgabe verpflichtet, Land und Leute in Vergangenheit und Gegenwart dem Leser nahe zu bringen. „Detailschilderung behufs bessrer Erkenntnis und grössrer Liebgewinnung historischer Personen" 2 war die Absicht, die der Dichter mit der Beschreibung der Denkmale in den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg"^ verfolgte, und die sinngemäß auch für andere seiner Werke zutrifft.
Die „Wanderungen durch die Mark Brandenburg", in vier Bänden erschienen, der erste 1862, der vierte 1882, enthalten das reichhaltigste Material über historische Denkmale. Und mit dem Band „Fünf Schlösser, Altes und Neues aus Mark Brandenburg" (1889) hat Fontane das Thema noch einmal auf- geriffen. Für manche Gebiete der Mark sind diese Bücher lange Zeit die einzige Quelle für diejenigen gewesen, die sich über märkische Bau- und Kunstdenk- male unterrichten wollten, eine Quelle, bei der mit äußerster Akribie Wissenwertes zusammengetragen wurde, so daß sie selbst heute noch für Fachleute und Interessierte wertvolle Hinweise birgt.
Das Interesse Fontanes galt vornehmlich den Denkmalen als historischen Zeugen. „Von Kindesbeinen an hab ich eine ausgeprägte Vorliebe für die Historie gehabt. Ich darf sagen, daß diese Neigung mich geradezu beherrschte und meinen Gedanken wie meinen Arbeiten eine einseitige Richtung gab" 4 , bekennt er 1854 in einem Brief. Dieser Neigung blieb Fontane auch in späte- ren Jahren treu und teilte sie mit vielen seiner Zeitgenossen.
Mit der Emanzipation des Bürgertums und der Herausbildung der Nationalstaaten in Europa entwickelte sich das Geschichtsbewußtsein. Wissenschaftler und Künstler befaßten sich mit historischen Studien, „Geschichts- und Altertumsvereine" entstanden, das historische Interesse inspirierte das künstlerische Schaffen und prägte durch historisierende Nachschöpfungen insbesondere die Baukunst des 19. Jahrhunderts.
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